Evangelische Kirchengemeinde A.B. Schäßburg
Predigt des reformierten Bischofs Kató Béla

am Sonntag, den 5. November 2017

Grüß Gott, Békesség Istentől!
Mit dem traditionellen Gruß unserer Kirchen begrüße ich die Siebenbürgischen Vertreter von den zwei Hauptrichtungen des Protestantismus. Wenn Dorfbewohner mit verschiedenen Nationalitäten sich in einem mehrsprachigen siebenbürgischen Dorf treffen, grüßt der Ungar auf sächsisch und der Sachse grüßt auf Ungarisch. Das ist ein schönes Beispiel der gegenseitigen Ehre und Toleranz, und ich glaube es wurzelt in der besonderen Gesinnung der heimischen Reformation. Denn im Gegensatz zu anderen Teilen Europas, war hier die Toleranz der Grundsatz der Konfessionsbildung. Die Quelle dieser Toleranz ist Luthers Stadt, Wittenberg.

Die intellektuelle Elite beider protestantischer Kirchendistrikte, die sich aufgrund von Sprache gebildet hat, studierte in dieser Stadt, die Sachsen meistens bei Luther, die Ungaren  bei  Melanchthon.  Wunderlicher  Weise  ist  die  Wiege  der  Siebenbürgisch-Reformierten Kirche auch Wittenberg geworden. Wenn sich die zwei verschiedenen Lehren in Wittenberg vertrugen, warum könnten sie sich nicht auch in Siebenbürgen vertragen? – haben unsere Vorgänger gedacht. Sie haben zwar ihren Glauben und Gesinnung verteidigt, dafür haben sie aber nie geblutet. Im Laufe der siebenbürgischen Konfessionsbildung haben sich die Wege unserer Kirchen häufig gekreuzt. Wir haben uns aber meistens geholfen und nur selten beleidigt.

Nach 1568 wurden die an die Dreieinigkeit glaubenden Pfarrer aus der massiv-unitarischen Glaubensrichtung ausgeschlossen. Sie flüchteten zum sächsischen Bischoff. 1571 haben sie an der Synode in Mediasch teilgenommen und haben um Hilfe gebeten für die Begründung ihres eigenen Kirchendistriktes. Diese Begründung fand im nächsten Jahr statt, seitdem lebt und wächst die Siebenbürgisch-Reformierte Kirche. Herr Bischoff, ich danke Ihrem Vorgänger Matthias Hebler und Lukas Ungler für die Unterstützung bei der Gestaltung unserer kirchlichen Strukturen. Nur in dieser toleranten Atmosphäre konnte es zu diesem Paradoxon kommen, dass der erste Bischof unserer Kirche, Alesius Dénes, lutherisch, und der vierte Bischoff der sächsischen Kirche, Matthias Schiffbaumer, kalvinistisch war. Keine von diesen gefährdete die Einheit seiner eigenen Kirche wie auch die Bücher Calvins in lutherischen Bibliotheken oder die Luther-Bücher in reformierten Bibliotheken nicht. Hier muss man erwähnen, dass die größte Calvin-Sammlung von Siebenbürgen sich in der Bibliothek des Brukenthal-Museum in Hermannstadt befindet. Wir danken Euch, dass ihr das bewahrt habt und dass – seit einem Jahrzehnt wieder – ihr diese Schätze bewahrt.

Ein anderer schöner Beweis unserer Zusammenarbeit ist, dass bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die reformierten Gemeinden von Szászváros (Broos), Tordos (Eisenmarkt), Vizakna (Salzburg) und Kóbor (Kiewern) zum sächsisch-lutherischen Bischoff gehörten, die evangelischen Gemeinden von Nagysajó (Groß-Schogen) und Teke (Tekendorf) zum siebenbürgisch- reformierten Superintendent gehörten. Bei der Ordination dieser Pfarrer konnte jeder auf sein eigenes Glaubensbekenntnis schwören, die reformierte Synode garantierte die Einhaltung des Augsburger Bekenntnisses, die lutherische Synode garantierte die Einhaltung des Helvetischen Bekenntnisses.

Unsere Schulen waren auch gegenseitig offen füreinander: die Honterus-Schule von Kronstadt lehrte mehrere reformierte Prediger aus dem Burzenland und Háromszék. Die Weißenburger und Straßburger Schule war für ca. 80 Pfarrer aus dem 17. Jahrhundert die Alma Mater. In der Weißenburger Schule waren die deutschsprachigen Schüler eine besondere Gruppe, die an Feiertagen sogar mit Liedern den Begründer-Fürst Bethlen Gábor begrüßten.

In dieser brüderlichen Einheit gab es ein Interesse an europäischem Irenismus, dessen Ziel die organisatorische Einheit von lutherischen und reformierten Kirchen war. Die Einheitsbemühungen von David Pareus und Johannes Dureus war mehrmals Thema in siebenbürgischen Synoden. Die Verwirklichung dieser Einheit lag nicht an den Siebenbürgern.

Diese Faktenreihen der Geschichte beweisen, dass unsere Kirchen sich nicht nur in der Not zusammengefunden haben, sondern im gemeinsamen reformatorischen Erbe, in gemeinsam bewahrten Gemeinden zu gutem brüderlichen Dialog geführt wurden. Die Veränderungen des 20. Jahrhunderts haben unsere Zusammenarbeit neu bestimmt. Der 1918 entstandene Interkonfessionelle Rat musste für Jahrhunderte alte Rechte gemeinsam kämpfen. Das 1948 auf staatlichen Druck entstandene Protestantisch-Theologische-Institut hatte in der siebenbürgischen Pfarrerbildung eine neue Farbe bekommen, dank des Einzugs der deutschsprachigen Evangelischen Fakultät im östlichen Flügel des Instituts. Die Pfarrer dieser Jahrgänge sind die „letzter Mohikaner" der siebenbürgischen Toleranz, die in der Not auf Deutsch, Ungarisch oder Rumänisch predigen können.

Für diesen Zeitraum bedanken wir uns bei Ihnen nochmals, dass in der Zeit der Industrialisierung in vielen süd- siebenbürgischen sächsischen Kleinstädte viele ungarisch-reformierte Gemeinden entstanden sind. Und die evangelischen Schwestern und Brüder haben ihre Kirchentore geöffnet. So war es in Agnetheln, Reps, Heltau usw. In  Heltau ist es derzeit unverändert so. Die Sachsen aus Schmiegen mussten in den 80-ger Jahren ihre Kirche verkaufen. Sie haben dann ihr neues Zuhause in der Reformierten Kirche gefunden, so dass derzeit auch der reformierte Kurator selber Sachse ist. In vielen entvölkerten, veralteten  sächsischen Gemeinden kämpfen die reformierten Brüder zusammen, die Kirchen zu pflegen und zu bewahren. Diese Zusammenarbeit ist sichtbar auch hier in Schäßburg.

Es ist kein Zufall, dass wir heute in dieser Kirche feiern. Wegen zwei Fakten  haben unsere Kirchen so entschieden: einmal, die gemeinsame Vergangenheit: der erste Vorbote der Siebenbürgischen Reformation war die Schäßburger Disputation, dessen Ereignisse von Gáspár Heltai – der in Hermannstadt geboren und in Klausenburg gestorben ist – im bunten Wortschatz beschrieben wurden. In Schäßburg waren 1538 schon Protestanten, die Gottes Wort predigten. Das zweite ist die gemeinsame Gegenwart, die gute Freundschaft der beiden protestantischen Pfarrer, Bruno Fröhlich und István Biró, was die gute Freundschaft der zwei Gemeinden prägt. Das gemeinsame Feiern der Schäßburger ist ein schönes Beispiel der lebendigen, aus Glauben entstandenen Ökumene.

So fängt Heltais Disputationsbeschreibung an: „Dann hat Gottes Wort im ganzen Siebenbürgen angefangen zu donnern.“ Ich glaube, dass Gottes Wort auch heute donnert und trotz der vielen Blitzableiter sein Ziel erreicht. Möge Gott uns geben, dass wir weiterhin in unseren evangelischen und reformierten Gemeinden diesen Blitz hören, sehen und fühlen können und Kraft bekommen können. Das ist das einzige Pfand unseres Bestandes.

Amen.


Es gilt das von der Kanzel gesprochen Wort!

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