Evangelische Kirchengemeinde A.B. Schäßburg
Ansprache des Stadtpfarrers Dr. Hans Bruno Fröhlich anlässlich der Pflanzung des Apfelbäumchens im Schäßburger Predigergarten

am Sonntag, den 5. November 2017

Hochwürdiger Herr Bischof, sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Brüder und Schwestern!

Reformatorisches Gedankengut kam relativ schnell auch nach Siebenbürgen; etwa 2 Jahre nach dem Thesenanschlag, also 1519. Allerdings war die Zeit für reformatorische Maßnahmen noch nicht reif. Was die Menschen damals in diesem Landstrich bewegte, war die Türkengefahr. Diese Befürchtung sollte sich als berechtigt erweisen. Im Jahr 1526 kam es zu der Schlacht von Mohács, in der die Ungarn besiegt wurden, der König Ludwig II. selber sein Leben verlor und das Reich auf drei Teile geteilt wurde. In Siebenbürgen folgte eine turbulente bürgerkriegsähnliche Zeit, in der Machtkämpfe um den Thron und weniger Kirchenreformen im Fokus standen. Im Jahr 1538 fand diese Zeit mit dem Frieden von Großwardein ihr Ende. Johann Zápolya hatte sich als König – auch mit Unterstützung der Sachsen – behauptet.

Dass die großen politischen Themen im Vordergrund standen, bedeutete aber nicht, dass in der Kirche Stillstand angesagt war. „In vielen siebenbürgischen Städten hatte sich die Kirchenerneuerung in der Praxis niedergeschlagen, lange bevor es reglementierende Beschlüsse gab …“  Ein Dokument aus dem Jahr 1529, das zur Zeit neu ausgewertet wird , erzählt davon, dass der Prior des Dominikanerklosters hier in Schäßburg es beklagt, dass selbst in den Herzen seiner Amtsbrüder – also der Mönche – die „Häresie Luthers“ eingedrungen wäre. Eigentlich ist es logisch: die Dominikaner sollten als angehörige eines Predigerordens die Schriften Luthers widerlegen, mussten diese natürlich lesen, und stellten fest, dass doch nicht alles so falsch sein konnte, wie das die Kirchenoberen gerne gewollt hätten. Im Gegenteil: so manche Idee Luthers scheint überzeugt zu haben. Das „klare Wort“ begann Frucht zu tragen.

Der Ort an dem wir stehen, ist geschichtsträchtig, auch wenn er in seiner jetzigen Erscheinungsform – nämlich als Predigergarten – nicht unbedingt danach ausschaut. Hier stand einstmals eine Kirche (oder eher eine Kapelle), von der die Außenmauer noch erhalten ist. Ob es die älteste Kirche der Stadt gewesen ist, oder nicht, darüber sind sich die Fachleute nicht einig; aber das ist auch nicht so wichtig. Viel wichtiger ist, dass hier im Jahr 1538 ein Ereignis stattgefunden hat, welches wegweisend für den Verlauf der Reformation in ganz Siebenbürgen gewesen ist: das »Schäßburger Religionsgespräch«.

Der König Johann Zápolya war „von der Wucht der Reformation und ihrer geistigen Strahlkraft beeindruckt und gleichzeitig beunruhigt.“  Darum ließ er die Befürworter und die Gegner der Reformation zu einem Gespräch hier in dieser Kapelle zusammen kommen. Erbitterter Gegner und Wortführer dieser Gruppe war der Großwardeiner Bischof und Schatzkanzler Georg Martinuzzi. Als Redner der Befürworter des reformatorischen Gedankengutes wurde Stefan Szántai aus Kaschau herbeigerufen; das ist möglicherweise auch ein Hinweis darauf, dass es die großen Spezialisten hier im Land noch nicht gab, oder diese sich nicht trauten, Farbe zu bekennen. Sächsische Vertreter sind in der Delegation der Befürworter aber auch bezeugt, u. zw. aus Lechnitz, Bistritz und Kronstadt; allerdings sind diese beim Religionsgespräch einfache Zuhörer. Der König soll gesagt haben: „Gott sei Dank! Meine Feinde sind so sehr zusammengedroschen, dass ich von niemand mehr etwas zu befürchten habe. Aber nun lasse ich die beiden großen Böcke aufeinander los. Welcher gewinnen kann, wird sich zeigen.“

Sogar zwei – vom König bestellte – Schiedsrichter, Adrianus Wolfhard und Martin Kalmancehi (beide aus Weißenburg), sollten darüber wachen, dass alles mit rechten Dingen zuging. Doch so einfach war ihre Aufgabe nicht: „Stefan Szántai begann mit einer biblisch-reformatorischen Begründung seiner Anliegen. Doch schon während des Vortrags wurde er von katholischer Seite immer wieder lautstark unterbrochen. Ein sachliches Gespräch, stellte sich heraus, konnte unter den Umständen nicht stattfinden.“  Die Schiedsrichter baten schließlich, man möge sie von ihrem Auftrag befreien, denn Stefan Szántai, der evangelische Vertreter, war mit seinen Argumenten wohl überzeugender. Das offen zuzugeben, hätte die Schiedsrichter selber in Gefahr gebracht. Martinuzzi und seine Gefährten verlangten, Szántai auf dem Scheiterhaufen verbrennen zu lassen. Diese Anforderung wies König zurück, empfahl Szántai aber das Land so schnell wie möglich zu verlassen. Das tat dieser auch. 

Auch wenn man damals unverrichteter Dinge auseinanderging, kann dieses Gespräch eigentlich als Punktsieg für die Evangelischen gewertet werden, denn die begonnene Bewegung war nicht mehr aufzuhalten. Drei Jahre später (1542) wurde in Kronstadt die erste „evangelische Messe“ gefeiert. Nachher griff die Reformation auch auf die andern Orte Siebenbürgens über bzw. wurde systematisch durchgeführt. Heute pflanzen wir hier ein „Apfelbäumchen für ein klares Wort“, in Erinnerung daran, dass das »klare Wort« von 1538 seine Frucht gebracht hat.


Es gilt das von der Kanzel gesprochen Wort!

   Vorlesen lassen:
   
   Windows
   z.B. Microsoft Edge 112: "rechte Maustauste"->Laut vorlesen
   z.B. Mozilla Firefox 112: "Lesesansicht"->Kopfhörersymbol
   MacOS, iOS, iPadOS (ab 2020)
   "Bedienungshilfen"->VoiceOver
   Android
   "Bedienungshilfen"->Vorlesen
   __________ 
   
   Übersetzen lassen:
   z.B. Google Chrome 113, Microsoft Edge 112