Presseumschau 2003 bis 2024
Erfolg für Draculas Gegner in Sighişoara (16.6.2003)An der Seite der Verlierer (6.6.2004)Kirche für Andere sein (29.7.2004)Die Altäre in der Schäßburger Bergkirche (26.7.2017)Reformationsjubiläum mit drei evangelischen Konfessionen (19.11.2017)Winterkirche in der Schäßburger Klosterkirche eingeweiht (25.10.2018)Neue Stadtpfeifen in Schäßburg (25.10.2018)Beidseitige Anerkennung im evangelisch-orthodoxen Dialog (25.9.2020)Heiligabend im Radio mit Stadtpfarrer Dr. Hans Bruno Fröhlich aus Schäßburg (24.12.2020)Auf den Glauben kommt es an (28.5.2021)80. Geburtstag von Prof. em. Dr.Hans Klein (9.7.2021)„Geläuterte Vernunft“ Zum 250. Geburtstag Samuel von Brukenthals (16.7.2021)„Et äs mer griuß Frout“ Auf Baron Samuel von Brukenthals Spuren im Harbachtal und in Freck (6.8.2021)Neujahrsbotschaft 2022 (17.1.2022)„So predigen wir..." (14.4.2022)Den Beobachterposten verlassen (2.6.2022)Von Hirsekörnern und Maulbeerbäumen... Deutsche Kulturtage Schäßburg im Zeichen der Bergschule und Klosterkirche (4.6.2022)Einander hören, miteinander feiern, gemeinsam beten (23.6.2022)Wichtig und richtig. Zum 200. Geburtstag von Joseph Haltrich (22.7.2022)Eine sinnvolle und gesegnete Arbeit. Der 31. Siebenbürgische Lehrertag hat in Schäßburg stattgefunden. (6.10.2022)„Lebenswege in Siebenbürgen“ von Altbischof D. Dr. Christoph Klein (24.11.2022)Die Ökumene funktioniert! von Stadtpfarrer Dr. Hans Bruno Fröhlich (30.6.2023)Kirchenburgen: erhalten oder aufgeben? von Stadtpfarrer Dr. Hans Bruno Fröhlich (11.7.2023)Zinngießerturm in Schäßburg wird notsaniert von Beatrice Ungar (22.3.2024)Buchvorstellung im Spiegelsaal von Beatrice Ungar (18.4.2024)Ein prägender Freibrief. 800 Jahre Privilegium Andreanum (RGOW 7/8 2024)Streben nach der gegebenen Einheit-Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) tagte in HermannstadtErfolg für Draculas Gegner in Sighişoara
Kampf um das historische Erbe der Siebenbürger Sachsen
Eine Bürgerinitiative hat in dem ursprünglich deutschsprachigen Städtchen Schäßburg (Sighişoara) in Transsylvanien die Errichtung eines monströsen Dracula-Erlebnisparks verhindert. Das Projekt hätte der mittelalterlichen Stadtanlage einen von manchen Bewohnern unerwünschten Massentourismus beschert. Die Besucher kommen ohnehin.
Dracula-Park – große Ankündigung für ein gescheitertes Projekt in Transsylvanien.
Wok. Sighişoara/Schäßburg, Ende Mai
An die Familie des Postmeisters Schneider erinnert auf dem Bergfriedhof in Schäßburg folgende Grabinschrift:
«Wenn das Leben fröhlich ist gewesen –
Mühe und Arbeit ist es gewesen.»
Im Rufe von Fleiß und Redlichkeit scheinen die Deutschen schon lange zu stehen. Über 800 Jahre ist es her, da die ungarische Krone im linksrheinischen und fränkischen Raum Kolonisten für die Terra ultrasilvana, das Land jenseits des Waldes, rekrutierte. Den Einwanderern, die ihre neue Heimat Siebenbürgen nannten, wurde eine Reihe von Freiheitsrechten gewährt. Die Deutschen entwickelten die Landwirtschaft, förderten den Handel und waren allzeit bereit, ihr Eigentum gegen die kriegerischen Reitervölker zu verteidigen, die periodisch aus den innerasiatischen Steppen über den Karpatenbogen nach Westen hin vorzudringen versuchten. Die stolzen Dörfer und Städtchen zwischen Kronstadt, dem heutigen Braşov, und Hermannstadt (Sibiu) tragen, oder besser trugen, Namen wie Rosenau, Honigberg oder Groß-Lasseln. Sie prägen auch heute noch das äußere Bild einer weltvergessenen Gegend wie aus Grimms Märchen oder den Kasperle-Büchern von Josephine Siebe. Eine Landschaft für Romantiker und Romanciers.
Ein Projekt, das allen dient?
Einer von ihnen, der Ire Bram Stoker, hatte vor über hundert Jahren, ohne jemals dort gewesen zu sein, Siebenbürgen zum Schauplatz seines weltbekannten Dracula-Romans erkoren. Seine Phantasien der blutsaugenden Wesen, von Friedrich Murnau im Filmklassiker Nosferatu zu globaler Verbreitung gebracht, haben seither dank zahllosen Imitaten zur paradoxen Situation geführt, dass alle Welt weiß, wo Vampire zu Hause sind – in Transsylvanien nämlich. Aber wo dieses Land liegt, das wissen viele nicht so genau. Das darf nicht sein, müssen sich die Verantwortlichen für Tourismusentwicklung in Rumänien gesagt haben, als sich das Land nach dem Sturz des Diktators Ceausescu öffnete und die Rumänen mit Staunen der globalen Bekanntheit von Dracula und seinen Hollywood-Klonen erstmals gewahr wurden. An westlichen Konsulenten, die auf die Sprünge halfen, herrschte kein Mangel. Wenn in der Schweiz dank Johanna Spyri ein «Heidiland» gleich mehrfach vermarktet werden kann, soll es nur recht und billig sein, Rumänien einen Dracula-Park zu bescheren. Fragt sich nur, wo im Lande er gebaut werden soll.
Nach einem Wetteifern einzelner Regionen um den idealen Standort gab der rumänische Tourismusminister Matei-Agathon im Sommer 2001 die Entscheidung bekannt. Sighişoara sollte es sein. Die Legende will es, dass in diesem Städtchen im Jahre 1431 der nachmalige walachische Fürst Vlad Tepes geboren wurde, die historische Vorgabe für Bram Stokers Dracula. Der Minister versprach Großes. Innerhalb von nur zwei Jahren sollte auf einem bewaldeten Plateau in Sichtweite der unter Unesco-Schutz stehenden mittelalterlichen Stadtburg auf einer Fläche von 130 Hektaren ein Vergnügungspark entstehen. An nichts sollte es in dem 50 Millionen Franken teuren Projekt fehlen: Dracula-Schloss mit Katakomben und Folterkammer, Achterbahn, Bierhalle, Spiegel-Labyrinth, Golfplatz, Cabaret, Souvenirläden, 700-Betten-Hotel und ein Institut zur Vampirforschung. Der Bürgermeister freute sich über die versprochenen 3000 neuen Arbeitsplätze, die dank dem Dracula-Park entstehen sollten. Und der zu erwartende Gewinn von jährlich 20 Millionen Franken war für dringend nötige Renovationsarbeiten in dem vor sich hin bröckelnden Ort vorgesehen. Ein Projekt also, das allen dient, müsste man meinen. Doch dem war nicht so.
Ökologische und moralische Bedenken
Unter den knapp 40_000_Einwohnern Sighişoaras regte sich bald Widerstand. Ökologische und moralische Bedenken wurden laut, und erste Kritiker sprachen von einem größenwahnsinnigen Vorhaben in übelster Ceausescu-Tradition, bei dem sich die Initiatoren bereichern wollten und am Ende zum Schaden der ganzen Bevölkerung eine Planungsruine die Gegend verunstalte. Dem Gruselpark hätte ein mehrhundertjähriger Eichenwald weichen müssen, machte der engagierte örtliche Umweltschützer und Zahnarzt Alexandru Gota geltend, unter dessen Führung sich die Gegner des Projekts zusammenfanden. «Wir waren nicht mehr als ein gutes Dutzend Einwohner», erinnert sich der einer alteingesessenen Schäßburger Familie entstammende Plastiker Wilhelm Fabini. In dem Grüppchen, das sich im Herbst 2001 unter dem Namen Nachhaltiges Schäßburg / Sighişoara Durabile formierte, engagierten sich auch die beiden deutschsprachigen lutherischen Pfarrherren am Ort. Es dürfe nicht sein, so wurde von Seiten der Kirche argumentiert, dass sich Schäßburg zum Mekka der Satanisten entwickle. «Ein Zentrum des Welt-Okkultismus sollte unsere schöne Stadt werden», empört sich der Arzt Petre Oprean noch heute.
Die historische Rechtfertigung der Standortwahl hält näherer Betrachtung nicht stand. Das angebliche Geburtshaus des Vlad Tepes, dies fanden die gut organisierten Gegner des Projekts schnell heraus, wurde erst rund 200 Jahre nach der Geburt des späteren Fürsten Draculea erbaut. Dass dessen Vater Vlad Dracul während vier Jahren in Schäßburg gewohnt habe, sei reiner Zufall, sagt Fabini. Vermutlich habe er in der Stadt politisches Asyl erhalten. Ganz bestimmt war aber bereits zu jener Zeit der Ort von sächsischen Bürgern bewohnt, die ihr Städtchen mit mächtigen Mauern befestigt hatten und es noch heute als Burg bezeichnen, obwohl es gar keine ist. Burgherren gab es in Schäßburg niemals. Blutsaugende Lokalfürsten kannten die Siebenbürger Sachsen nicht; zumindest nicht bis vor der Ära Ceausescu. Auch die optimistischen Berechnungen des Tourismusministers hielten näherer Betrachtung nicht stand.
«Whollyout of sympathywith the area»
Es blieb auch ein Rätsel, wie die prognostizierte Schar von über einer Million Besuchern pro Jahr den Weg nach Sighişoara finden sollte. Weder Bahn noch Straße verfügen über die nötige Kapazität, und der Bukarester Flughafen liegt in sechsstündiger Entfernung. Dem Staat mangelt das Geld für Infrastrukturausgaben. Ob die Hunderttausende von prognostizierten Besuchern aus dem Inland jemals angereist wären, ist ohnehin fraglich. Das Gruselerlebnis hätte eine Familie einen durchschnittlichen Wochenlohn gekostet. Noch vermag sich die große Mehrheit der Rumänen solchen Luxus schlicht nicht zu leisten. Der Tourismusminister allerdings ließ sich von seinem eingeschlagenen Weg nicht abringen. Einzelne Großfirmen hatten sich bereits Teile des Aktienpakets gesichert, und die Bodenpreise in Sighişoara waren beinahe über Nacht in die Höhe geschnellt. Was zum Teufel scherte ihn, den Minister, denn ein Grüppchen von Stänkerern aus der Provinz, die sein zum Wohl der Nation erdachtes Vorhaben bodigen wollten? Doch der Regierungsmann irrte sich.
Unterdessen hatten die gut organisierten Gegner dank hervorragender Informationsarbeit ihr Anliegen in aller Welt verbreitet. Einer, dem man nicht zweimal erklären musste, wo auf der Landkarte Sighişoara zu suchen ist, lebt in England und verfügt über Geld und Einfluss: His Royal Highness, Prince Charles. In seiner Eigenschaft als Schirmherr der Mihai-Eminescu-Stiftung, einer Körperschaft zur Rettung rumänischen Kulturguts, reiste der Prinz vor Jahresfrist nach Schäßburg und bezeichnete das Projekt öffentlich als «wholly out of sympathy with the area» (völlig unpassend für die Gegend) und sagte, die Realisierung des Vorhabens bedeutete für die Bevölkerung wie für ganz Europa einen schweren Verlust. Es ließen sich weitere namhafte Fürsprecher finden, die das Land kennen und sich bereits kräftig
dafür eingesetzt hatten, das gemeinhin geltende Image Rumäniens als Land verwahrloster Waisenhäuser und maroder Industriebetriebe zu korrigieren Gleichzeitig wurde aus den Reihen der nun international organisierten Gegner bei einer renommierten internationalen Buchprüfungsfirma eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Der im Herbst bekannt gewordene Befund war für die Projektinitiatoren niederschmetternd. Der Park soll nun stark redimensioniert außerhalb von Bukarest entstehen.
Unterwegs zum Disneyland
Charles' Visite habe die Wende eingeleitet, sagt Fabini rückblickend, sichtlich erleichtert über den gewonnenen Kampf. Seiner Meinung nach handelte es sich um die erste erfolgreiche Bürgeraktion seit dem Sturz Ceausescus. Ist es reiner Zufall, dass die deutschsprachigen Sachsen maßgeblich daran beteiligt waren? «Wir identifizieren uns stärker mit der Stadt als die rumänischen Zuwanderer », lautet die Antwort. Wir – das waren laut dem Bericht des evangelischen Stadtpfarramts Schäßburg vom 1. November 2002 exakt 513 Seelen, Tendenz sinkend. Die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung hat Siebenbürgen längst verlassen und lebt größtenteils in Deutschland. Wenn ihr historisches Erbe nicht zerfallen soll, müssen es andere pflegen. Fragt sich nur wie.
Die Opposition gegen den Dracula-Park habe dem Ort zu ungeahnter Publizität verholfen, sagt der örtliche Reiseunternehmer Aurelian Varvara. Einige betuchte Bukarester hätten sich in der Burg bereits Häuser gekauft, die sie renovieren und als Zweitwohnsitz nutzen wollten. Und bereits stehen innerhalb der Burgmauern drei Hotels der gehobenen Klasse zur Verfügung, eines davon sorgsam renoviert von einer Stiftung in Deutschland. Die davor parkierten Autos weisen auf westliche Kundschaft und ausländische Diplomaten hin. Das Städtchen laufe auch ohne Dracula-Park Gefahr, sich zum Disneyland zu entwickeln, befürchtet Varvara. Es fehle jegliches Entwicklungskonzept von Seiten der Behörden, und ein Heimatbewusstsein habe sich noch nicht entwickelt. Man kopiere westliche Vorbilder, ohne sich über den Wert der bestehenden Strukturen im Klaren zu sein. Zwar hat ein deutscher Experte ein Konzept zur Förderung zukunftsfähiger Tourismusprojekte für Schäßburg vorgelegt (www.sustainable.sighisoara). Doch vermutlich sind die Weichen schon anders gestellt, und der Ort wird in einem Jahrzehnt in penetranter Putzigkeit dem toskanischen Touristenmagnet San Gimignano in nichts nachstehen.
In der Unterstadt begegnen wir einer älteren Deutschen hinter ihrem ärmlichen Häuschen. Wie mit dem Lineal gezogen sind die Ränder ihrer sorgfältig angelegten Beete im Gemüsegarten. Sie lebt hier allein mit ihrem Hund, der Mann ist gestorben und die Tochter verheiratet im Ausland. Die nächste deutschsprachige Nachbarin, auch sie über siebzigjährig, wohnt in Sichtweite am andern Ende des Hofes. In den alten Häuschen dazwischen leben zugezogene Familien aus allen Landesteilen. «Ach wissen Sie», sagt die Frau, «die Rumänen übernehmen hier nun alles.» Und ihre hellblauen Augen verraten eine leise Trauer.
(von Martin Woker in der Neuen Zürcher Zeitung vom 16.6.2003) veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autors ∧ nach obenAn der Seite der Verlierer
Christen in Schässburg stellen sich den gesellschaftlichen Herausforderungen
Zwei Betten pro Zimmer, zwei einfache Nachttische, zwei Kleiderschränke sind die wesentlichen Ausstattungsstücke. In der Gemeinschaftsküche gibt es zum Abendbrot einen Teller Suppe und eine Scheibe Brot. Wahrlich kein Leben im Luxus. Doch für die acht gebrechlichen Bewohner des »Pflegenestes« im sieben- bürgischen Schässburg oder Sighişoara, wie es rumänisch heißt, ist das teilweise schon viel mehr, als sie vor- her in den eigenen vier Wänden hat- ten. Ganz abgesehen davon, dass die Zimmer im Winter geheizt sind und es sowohl das Essen als auch warmes Wasser zum Baden oder Duschen täglich gibt.
Die Diakoniebeauftragte der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekennt- nisses Erika Duma (stehend) im Kreise der Seniorinnen.
Foto: Harlad Krille
Kein Grund zur Resignation
Schrumpfende Zahlen sind für den Bischof kein Grund, den Kopf hängen zu lassen. Er warnt davor, eine Minderheit von ihrer Zahl her zu beurteilen. Entscheidend sei vielmehr ihre Bedeutung. "Christen werden nicht gezählt, sondern gewogen", so der frühere Theologieprofessor, der seit 1990 an der Spitze der Evangelischen in Rumänien steht.
Sein Credo, mit dem er zurückgehenden Zahlen begegnet: "Es kommt auf die wenigen Engagierten an, die etwas bewegen wollen."
Offen spricht der Bischof über notwendige Veränderungen. Zum Beispiel, dass es in Gemeinden mit 15 Mitgliedern auf Dauer nicht mehr jeden Sonntag einen Gottesdienst geben wird. Oder dass auch einige Kirchen dem Verfall preisgegeben sind - vor allem Gotteshäuser, die etwas abseits liegen. Für über 150 Kirchenburgen sind die Evangelischen in Siebenbürgen zuständig. "Die großen historischen Denkmäler sollen mit Unterstützung von Sponsoren und Heimatortsgemeinschaften möglichst erhalten bleiben", erklärt Klein. Einige Gotteshäuser werden auch an christliche Kirchen wie die rumänisch-orthodoxe oder die griechisch-katholische abgegeben. Andere Sakralbauten sollen eine geistliche oder kulturelle Verwendung finden. Auf keinem Fall dürfe eine Kirche zum Wirtshaus werden. Manchmal würden aber Gotteshäuser auch unerwartet gerettet - wie in einem Ort, wo Architekturstudenten ins Pfarrhaus zogen und die dortige Kirche nun restaurieren.
In Bistriz hat die evangelische Gemeinde die zweitgrößte Kirche Siebenbürgens zu unterhalten. Die Gemeinde hat einen zweifachen Aderlass hinter sich: Ende des zweiten Weltkrieges wurde die deutsche Bevölkerung evakuiert. Als Ende der 70-er im Zuge der Familienzusammenführung die Ausreisemöglichkeiten gelockert wurden, verließen weitere Deutsche die nordsiebenbürgische Stadt. Unter den rund 300 Evangelischen, die heute noch dort leben, gibt es noch zwei deutsche Ehepaare. Alle anderen Deutschen sind mit einem rumänischen Partner verheiratet. Der Gottesdienst, zu dem sonntäglich zwischen 70 bis 80 Besucher kommen, findet in deutscher Sprache statt. Für die Gemeinde ist es ein gewaltiger finanzieller Kraftakt, die Kirche mit ihren 3.500 Sitzplätzen zu unterhalten. "Der Staat stiehlt sich bei der Restaurierung aus der Verantwortung", sagt Pfarrer Johann Dieter Krauss. Trotzdem sieht der Geistliche, der Evangelische in 30 Ortschaften und zehn Predigtstationen betreut, keinen Grund zur Resignation: "Der Glaube an Jesus Christus und seine Zusage ,Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende' gibt mir Hoffnung und Zuversicht."
Eine gewaltige finanzielle Herausforderung ist die Unterhaltung der über 150 Kirchenburgen in Rumänien. Zu den bekanntesten zählt die Anlage in Tartlau. Fotos: güs
Die hier wohnen, gehören zu den Verlierern der tief greifenden Veränderungsprozesse in der Karpatenrepublik. »Pro Person braucht man umgerechnet etwa 100 bis 150 Euro im Monat zum Überleben«, rechnet Erika Duma, die 47-jährige Diakoniebeauftragte der (deutschen) Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses (A. B.), vor. »Doch die staatlich garantierte Mindestrente von 300 000 Lei entspricht nur rund 10 Euro.« Bittere Armut ist deshalb das Los vieler rumänischer Rentner. Zum Hunger kommt im Winter die Kälte. Zwar gehört Rumänien zu den erdöl- und erdgasfördernden Ländern – doch der Preis ist für viele Menschen auf der Schattenseite des Lebens unerschwinglich. Und auch wenn es auf der anderen Seite einen deutlichen Wirtschaftsaufschwung gibt, wenn
»schon viel im Land passiert ist«, wie man es allenthalben bestätigt be- kommt: 60 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Wenn dann noch Pflegebedürftigkeit dazu kommt, wird die Situation erst recht unerträglich.
Schon 1994 entstand deshalb in der evangelischen Kirchengemeinde Schässburgs die Idee, in einer leer stehenden Wohnung eine Wohnge- meinschaft mit Pflegebetreuung für bedürftige Menschen einzurichten. Mit Unterstützung des Diakonischen Werkes in Bremen, das bis heute den größten Teil der Kosten trägt, wurden von den fünf angestellten Pflegerinnen bisher 40 Personen betreut. »Wie in einer Wohngemeinschaft wird neben den pflegerischen Arbeiten auch gemeinsam gekocht, gewaschen, ge- bügelt, eingekauft und der Wintervorrat an Obst und Gemüse eingekocht«, erzählt Erika Duma.
Das »Pflegenest« ist bei weitem nicht die einzige sozialdiakonische Aktivität der kleinen aber regen evan- gelischen Gemeinde unter Leitung von Stadtpfarrer Bruno Fröhlich. Zwar zählt die Gemeinde wegen der Aus- wanderungswelle deutschstämmiger Mitglieder heute mit 511 »Seelen« nur noch etwa ein Fünftel ihres Bestandes in den 80er-Jahren des soeben vergangenen Jahrhunderts. Doch stellen sich die protestantischen Christen mutig den sozialen wie geistlichen Herausforderungen einer Gesellschaft im Umbruch. Ob Angebote der ambulanten Pflege, »Essen auf Rädern« oder eine zentrale Waschküche für Menschen ohne Wasseranschluss geschweige denn Waschmaschine und Bügeleisen: Man will Zeichen der Hoffnung setzen, Mut machen und nicht zuletzt ein Zeugnis des Glau- bens an Jesus Christus ablegen. Zu- gleich ist die Schässburger Gemeinde ein Symbol des Aufbruchs der Evangelischen Kirche A. B. aus der Resigna- tion der 90er-Jahre des letzten Jahr- hunderts.
Doch die Menschen brauchen unsere Solidarität. Die Möglichkeit, mehr über Vergangenheit und Gegenwart der evangelischen Christen in Schässburg zu erfahren, besteht im September.
Eine Leserreise von »Glaube und Heimat« führt unter an- deren in das auch aus touristischer Sicht sehenswerte »Rothenburg Transsilvaniens«, wie die Stadt als eines der architektonischen Glanzlichter des Landes genannt wird. Da- bei sind natürlich Begegnungen mit den mutigen Christen des Ortes vorgesehen. Lassen Sie sich einladen, sich selbst ein Bild zu machen.
( von Harlad Krille in Glaube und Heimat Heft 23 vom 6.6.2004 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Verlags∧ nach obenRumänien: Evangelische wollen "Kirche für Andere sein"
Wie sich die deutschstämmige evangelische Kirche in dem osteuropäischen Land neu ausrichtet
Hinter ihr liegt eine massenhafte Auswanderung: Über drei Viertel ihrer Gemeindeglieder hat die Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Rumänien 1990 innerhalb eines Jahres verloren. Die Protestanten nutzen nach dem Ende der kommunistischen Zeit die Reisefreiheit, um nach Deutschland überzusiedeln. Von den ehemals über 100.000 Evangelischen leben heute noch rund 15.000 in dem osteuropäischen Land.
Wer - wie vor kurzem eine Sonntagsblatt-Lesergruppe - mit Vertretern der deutschstämmig geprägten Kirche Rumäniens spricht, wundert sich. Denn da ist keine resignative Stimmung angesagt, sondern Zuversicht und Optimismus zu spüren. "Nach einer Zeit der Trauer sehen wir Zeichen der Hoffnung", bringt es Bischof Christoph Klein (Hermannstadt) auf den Punkt. Mit Jugendarbeit, Frauenarbeit und Ökumene seien neue Arbeitsbereiche in der Kirche hinzugekommen. Auch die diakonischen Aktivitäten wie Sozialstationen, Altenheime oder Essen auf Rädern wären stark ausgeweitet worden. "Gott will den Weg weiterführen", meint Klein im Blick auf die Zukunft der evangelischen Kirche in Rumänien.
Strahlt Hoffnung und Zuversicht im Blick auf die Zukunft der evangelischen Kirche in Rumänien aus: Pfarrerin Helga Rudolf (Schässburg).
Kein Grund zur Resignation
Schrumpfende Zahlen sind für den Bischof kein Grund, den Kopf hängen zu lassen. Er warnt davor, eine Minderheit von ihrer Zahl her zu beurteilen. Entscheidend sei vielmehr ihre Bedeutung. "Christen werden nicht gezählt, sondern gewogen", so der frühere Theologieprofessor, der seit 1990 an der Spitze der Evangelischen in Rumänien steht.
Sein Credo, mit dem er zurückgehenden Zahlen begegnet: "Es kommt auf die wenigen Engagierten an, die etwas bewegen wollen."
Offen spricht der Bischof über notwendige Veränderungen. Zum Beispiel, dass es in Gemeinden mit 15 Mitgliedern auf Dauer nicht mehr jeden Sonntag einen Gottesdienst geben wird. Oder dass auch einige Kirchen dem Verfall preisgegeben sind - vor allem Gotteshäuser, die etwas abseits liegen. Für über 150 Kirchenburgen sind die Evangelischen in Siebenbürgen zuständig. "Die großen historischen Denkmäler sollen mit Unterstützung von Sponsoren und Heimatortsgemeinschaften möglichst erhalten bleiben", erklärt Klein. Einige Gotteshäuser werden auch an christliche Kirchen wie die rumänisch-orthodoxe oder die griechisch-katholische abgegeben. Andere Sakralbauten sollen eine geistliche oder kulturelle Verwendung finden. Auf keinem Fall dürfe eine Kirche zum Wirtshaus werden. Manchmal würden aber Gotteshäuser auch unerwartet gerettet - wie in einem Ort, wo Architekturstudenten ins Pfarrhaus zogen und die dortige Kirche nun restaurieren.
In Bistriz hat die evangelische Gemeinde die zweitgrößte Kirche Siebenbürgens zu unterhalten. Die Gemeinde hat einen zweifachen Aderlass hinter sich: Ende des zweiten Weltkrieges wurde die deutsche Bevölkerung evakuiert. Als Ende der 70-er im Zuge der Familienzusammenführung die Ausreisemöglichkeiten gelockert wurden, verließen weitere Deutsche die nordsiebenbürgische Stadt. Unter den rund 300 Evangelischen, die heute noch dort leben, gibt es noch zwei deutsche Ehepaare. Alle anderen Deutschen sind mit einem rumänischen Partner verheiratet. Der Gottesdienst, zu dem sonntäglich zwischen 70 bis 80 Besucher kommen, findet in deutscher Sprache statt. Für die Gemeinde ist es ein gewaltiger finanzieller Kraftakt, die Kirche mit ihren 3.500 Sitzplätzen zu unterhalten. "Der Staat stiehlt sich bei der Restaurierung aus der Verantwortung", sagt Pfarrer Johann Dieter Krauss. Trotzdem sieht der Geistliche, der Evangelische in 30 Ortschaften und zehn Predigtstationen betreut, keinen Grund zur Resignation: "Der Glaube an Jesus Christus und seine Zusage ,Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende' gibt mir Hoffnung und Zuversicht."
Eine gewaltige finanzielle Herausforderung ist die Unterhaltung der über 150 Kirchenburgen in Rumänien. Zu den bekanntesten zählt die Anlage in Tartlau. Fotos: güs
Ähnlich optimistisch schaut Pfarrerin Helga Rudolf im Touristenort Schässburg, dem "Rothenburg Rumäniens" in die Zukunft. "Die Arbeit in den evangelischen Gemeinden Rumäniens wird weitergehen", sagt sie. Und fügt hinzu: "Vielleicht in 20 Jahren nur noch in rumänischer Sprache." Die Theologin redet nicht davon, dass sich die deutschstämmigen Evangelischen in die rumänische Bevölkerung integrieren. Rudolf spricht lieber von einer "sprachlichen Öffnung" und davon, dass die Sprache nur ein "Vehikel für das Evangelium" ist. "An der Himmelspforte steht nicht, welche Sprache jemand spricht", meint die engagierte Theologin schmunzelnd.
Veränderungen in Gang
Die Veränderungen zeichnen sich schon ab. Während in Schässburg und an anderen Orten noch jeden Sonntag Gottesdienste in deutsch stattfinden, bieten größere Gemeinden schon einmal im Monat einen rumänisch-sprachigen Gottesdienst an. Doch auch in Schässburg wird an Weihnachten oder zu anderen Anlässen die Predigt noch einmal in rumänisch zusammengefasst.
"Wir wollen Kirche für Andere und Kirche mit Anderen sein", beschreibt Bischof Klein die Aufgabe der evangelischen Kirche, die sich lange Zeit nur als geistliche Heimat für die deutsche Volksgruppe verstand. An dieser Neu-orientierung liegt es wohl auch, dass Kirchenvertreter hoffnungsvoll und zuversichtlich nach vorne schauen. Und damit immer wieder Besucher überraschen, die eher andere Töne erwartet haben.
( von Günter Saalfrank im Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern Heft 29 vom 29.7.2004 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Verlags∧ nach obenDie Altäre in der Schäßburger Bergkirche
Erläuterungen zu den Altären von Dr. Rolf Binder erschienen
Von: Angelika Marks
Samstag, 26. August 2017
Rolf Binder: „Die Altäre in der Schäßburger Bergkirche“, Schäßburg 2017, herausgegeben mit Unterstützung des Demokratischen Forums der Deutschen in Schäßburg.
In seinem Epilog kritisiert der Pfarrer i. R. Dr. Rolf Binder die landläufige Meinung, dass die bildreiche Ausstattung der Kirchen für die „Armen“ – gemeint sind wohl die Ungebildeten, des Lesens Unkundigen – gedacht gewesen wären. Aber: „Ohne Bibelkenntnis weiß kein Mensch, was er sieht, wenn er die Bilder zur Leidensgeschichte betrachtet.“ Dies gilt sicher auch für die Darstellung der Legenden, die sich um die verschiedenen Heiligen drehen. Dem einen oder anderen heutigen, eher unbedarften Besucher der Bergkirche in Schäßburg wird diese Unkenntnis wohl bewusst werden, wenn er die Bildtafeln der hier aufgestellten Altäre aus den umliegenden Kirchenburgen von Mee- oder Mehburg/Beia, Schaas oder Reußdorf/Cund betrachtet. Wer – insbesondere welcher Protestant – kennt denn genau die Legende der heiligen Ursula und der 11.000 Jungfrauen, oder die der heiligen Anna und ihrer Sippe, oder wer weiß Genaues über die Geschichte der Dominikaner, einst stolze Klosterherren auch in Schäßburg? Aber auch bei geläufigeren Bibelszenen, z. B. der Passionsgeschichte, wird manches laut Binder missverstanden – Kaiphas mit Pontius Pilatus verwechselt und vieles mehr.
Genau vor diesem Hintergrund erweist sich das Buch des Pfarrers Rolf Binder als hilfreich. Als gläubiger Protestant und begeisterter Siebenbürger deutet er aus seiner theologischen Sicht das vorreformatorische Bildprogramm der Altäre. Auch auf die Funktion der gotischen Flügelaltäre, wann sie geschlossen, wann offen gezeigt wurden, ja auf die Bedeutung des Wortes „Altar“ selbst, geht Rolf Binder detailliert ein. Ebenso auf den Wandel, der sich durch die Reformation ergab. Selbst wenn der Bildersturm in Siebenbürgen nicht so radikal ausfiel wie in anderen Gebieten, manches war nicht mehr vereinbar mit der neuen Konfession. So mussten die auf den Altären einstmals aufgestellten Heiligen-Statuen als Gegenstand der Verehrung meist weichen, um z. B. durch eine konformere Christus-Statue ersetzt zu werden.
Zwar verweist Binder kurz auf die Künstler der Altäre, so wenn er die Werkstatt des Johann Stoß, dem Sohn des berühmten Nürnberger Künstlers Veit Stoß, benennt, der in Schäßburg eine Werkstatt unterhielt und dem die malerische Gestaltung des Ursula-Altars aus Meeburg oder des Schaaser Altars, der dem hl. Nikolaus geweiht war, zugeschrieben werden. Aber eine kunstgeschichtliche Abhandlung über die siebenbürgischen Künstlerwerkstätten, wie sie zum Beispiel Emese Sarkadi Nagy mit ihrer Dissertation vorgelegt hat („Local Workshops – Foreign Connections. Late Medieval Altarpieces from Transylvania“, Stuttgart, Thorbecke 2012 - Diss. 2008 Budapest), sollte man an dieser Stelle nicht erwarten. Einige Standardwerke zu den siebenbürgischen Altären finden im Text ihre Erwähnung, so von Victor Roth (1916) oder von Gisela und Otmar Richter („Siebenbürgische Flügelaltäre“, Wort und Welt Verlag, 1992). Eine Bibliografie und – gerade weil die Erläuterungen zu Ortsnamen, Begriffen oder auch dem Symbolgehalt von Pflanzendekorationen so ausführlich ausfallen – ein Glossar wären zusätzlich durchaus wünschenswert gewesen.
( von Angelika Marks in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien vom 28.8.2017 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autorin∧ nach obenReformationsjubiläum mit drei evangelischen Konfessionen
Pflanzung eines Apfelbäumchens im Predigergarten in Schäßburg
Von: Stadtpfarrer Hans Bruno Fröhlich
Sonntag, 19. November 2017
Bischof Reinhart Guib während der Predigt; im Gestühl (v. r.) Stadtpfarrer Hans Bruno Fröhlich, István Bíró (ref. Pfarrer in Schäßburg und Dechant des Kokeldekanates), Béla Kató (Bischof der ref. Kirche / Siebenbürger Distrikt), Dezsö-Zoltán Adorjáni (ev.-luth. Bischof), László Tamás Szegedi (ref. Pfarrer in Reps, Dechant des Kronstädter Bezirks), József Zelenák (ev.-luth. Pfr. in Sf. Gheorghe; Dechant in Kronstadt und Bischofsvikar der ungarische-lutherischen Kirche) u. a.
Der Ort, an dem Bischof Reinhart Guib zusammen mit evangelischen Gemeindegliedern und Freunden der Evangelischen Kirche A. B. das Apfelbäumchen in Schäßburg pflanzte, ist geschichtsträchtig, auch wenn er in seiner jetzigen Erscheinungsform – nämlich als Predigergarten – nicht unbedingt danach ausschaut. Hier stand einstmals eine Kirche, von der heute nur noch die Außenmauer erhalten geblieben ist. Im Jahr 1538 fand hier ein Ereignis statt, welches für den Verlauf der Reformation in ganz Siebenbürgen entscheidend war: das „Schäßburger Religionsgespräch“. Bevor das Apfelbäumchen gepflanzt wurde, hielt Stadtpfarrer Hans Bruno Fröhlich einen kurzen Vortrag über diese Disputation in deutscher und rumänischer Sprache.
Der damalige König Johann Zápolya ließ Befürworter und Gegner der Reformation zu einem Gespräch hier in dieser Kapelle zusammenkommen. Erbitterter Gegner und Wortführer dieser Gruppe war der Großwardeiner Bischof und Schatzkanzler Georg Martinuzzi. Als Redner der Befürworter des reformatorischen Gedankengutes wurde Stefan Szántai aus Kaschau (heute: Košice/Slowakei) herbeigerufen. Sächsische Vertreter sind in der Delegation der Befürworter auch bezeugt, u. zw. die Pfarrer aus Lechnitz, Bistritz und Kronstadt; allerdings waren sie beim Religionsgespräch einfache Zuhörer. Sogar zwei – vom König bestellte – Schiedsrichter, Adrianus Wolfhard und Martin Kalmancehi (beide aus Weißenburg), sollten darüber wachen, dass alles mit rechten Dingen zuging. Doch so einfach war ihre Aufgabe nicht, weil Stefan Szántai von der Gegenseite immer wieder unterbrochen wurde. Die Schiedsrichter baten schließlich, man möge sie von ihrem Auftrag befreien, denn Stefan Szántai, der evangelische Vertreter, war mit seinen biblisch begründeten Ausführungen wohl überzeugender gewesen. Die katholische Seite um Martinuzzi verlangte, Szántai auf dem Scheiterhaufen verbrennen zu lassen. Diese Anforderung wies der König zurück, empfahl Szántai aber, das Land so schnell wie möglich zu verlassen.
Auch wenn man damals unverrichteter Dinge auseinanderging, kann dieses Gespräch eigentlich als „Punktsieg“ für die Evangelischen gewertet werden, denn die begonnene Bewegung war nicht mehr aufzuhalten. Drei Jahre später (1542) wurde in Kronstadt die erste „evangelische Messe“ gefeiert und nachher griff die Reformation auch auf die andern Orte Siebenbürgens über und wurde im Sachsenland schließlich systematisch durchgeführt. Das „Apfelbäumchen für ein klares Wort“ wurde in Erinnerung daran gepflanzt, dass das „klare Wort“ von 1538 Frucht getragen hat.
Im Anschluss an diese feierliche Handlung im Predigergarten am 5. November wurde ein erhebender Festgottesdienst gefeiert. Daran nahmen die Bischöfe der evangelischen und reformierten Kirchen teil, u. zw. Kató Béla, Bischof der Reformierten Kirche / Siebenbürger Distrikt, Dezsö-Zoltán Adorjáni, Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche ungarischer Verkündigungssprache, und Reinhart Guib, Bischof der Evangelischen Kirche A. B., zusammen mit etwa 60 Pfarrern dieser Konfessionen (vor allem der beiden erstgenannten; den Ornat, die evangelisch-sächsische Pfarrertracht, trugen außer Bischof Reinhart Guib noch Pfr. i. R. Dr. Rolf Binder und Stadtpfarrer Hans Bruno Fröhlich). Die Klosterkirche füllte sich bis auf den letzten Platz, wobei natürlich die ungarischen Glaubensgeschwister die Mehrheit darstellten.
Die Anwesenheit der reformierten Geistlichen in ihren für die reformierte Kirche typischen Umhängen (dem sogenannten „Palást“, der dem „krausen Rock“ des sächsischen Pfarrerornates nicht unähnlich sieht) und jene der ungarisch-lutherischen Geistlichen im Talar mit leuchtend roter Stola (rot ist die liturgische Farbe für das Reformationsfest) war natürlich ein Blickfang. Richtig beeindruckend wurde es dann aber, als diese Geistlichen zusammen mit den beiden Kirchenchören der Reformierten Kirchengemeinde und der Evangelischen Kirchengemeinde A. B. Schäßburg die „Reformationshymne“ „Ein feste Burg ist unser Gott / Erös vár a mi Istenünk“ (ungarisch und deutsch, und dies gleichzeitig) anstimmten.
Bischof Reinhart Guib ging in seiner Predigt (gehalten in deutscher Sprache; ungarische Übersetzungen konnten als Handout mitverfolgt werden) von der Losung und dem Lehrtext des diesjährigen Reformationstages, des 31. Oktobers, aus: „Lass ab vom Bösen und tue Gutes; suche Frieden und jage ihm nach“ (Psalm 34,15) & „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre“ (Römer 15,7). Dabei wies er auf das Zentrum unseres Glaubens und unserer Verkündigung, nämlich auf Christus, hin: „Da steht wie ein Fels in der Brandung Christus der uns im Leben, Sterben und Auferstehen vorangegangen ist und der uns einlädt, aufzusehen zu ihm und ihm nachzufolgen.“ ER wurde von den Reformatoren neu entdeckt und ins Blickfeld gerückt. „Dieser Blick veränderte sie (die Menschen) und die Welt zum Guten“, sagte Bischof Guib.
Bischof Belá Kató ging in seiner Ansprache (auf Ungarisch gehalten, wobei deutsche Übersetzungen vorlagen) auf die guten Verbindungen zwischen Reformierten und Lutheranern in Siebenbürgen ein, die auf die Anfänge der Reformation zurückzuführen sind. Damals begannen diese beiden Glaubensrichtungen in Zentral- und Westeuropa getrennte Wege zu gehen. Hier in Siebenbürgen – wo die religiöse Freiheit damals schon und später auch ein hohes Gut war – gab es sogar das Paradox, dass einer der reformierten Bischöfe, Alesius Dénes, lutherisch und einer unserer evangelischen Bischöfe, nämlich Matthias Schiffbaumer, kalvinistisch war. Reformierte Schüler besuchten sächsische Gymnasien und umgekehrt: Lutherische Schüler gingen auf reformierte Schulen. „Ein anderer schöner Beweis unserer Zusammenarbeit ist, dass bis Mitte des 19. Jahrhunderts die reformierten Gemeinden von Szászváros (Broos), Tordos (Eisenmarkt), Vizakna (Salzburg) und Kóbor (Kiewern) zum sächsisch-lutherischen Bischof, während die evangelischen Gemeinden von Nagysajó (Groß-Schogen) und Teke (Tekendorf) zum siebenbürgisch-reformierten Superintendenten gehörten“, so Bischof Kató.
Bischof Dezsö-Zoltán Adorjáni predigte zweisprachig und gab seiner großen Freude Ausdruck: „Wir, die ungarischen protestantischen Geistlichen, reformiert und evangelisch, haben uns unten in der reformierten Kirche versammelt und sind gleich einem Pilgerzug mit Gebet und Gesang zur Kirche unserer sächsischen Geschwister in die Burg heraufgezogen. Hier dürfen wir die Gäste der sächsischen Lutheraner sein, gemeinsam Gottesdienst feiern, Gottes Wort hören und am Sakrament des Abendmahls teilnehmen. Das, liebe Schwestern und Brüder, ist gelebte Reformation!“
In der Tat waren die ungarischen Glaubensgeschwister mit ihren Bischöfen und Pfarrern in einem feierlichen Fackelzug von der reformierten Kirche neben der Kokelbrücke aus zur Klosterkirche in die „Burg“ hinauf „gepilgert“, geistliche Lieder singend. Dort, vor dem Kirchenportal, wurden sie von der evangelischen Gemeinde zusammen mit Bischof Guib, Dechant Fröhlich und Pfr. i. R. Dr. Rolf Binder erwartet. Vorher hatte es in der reformierten Kirche ein Konzert mit archaischer ungarischer geistlicher Musik gegeben, während dessen die viel kleinere sächsische evangelische Gemeinde im Predigergarten das Apfelbäumchen gepflanzt hatte.
Die Pflanzung des Apfelbäumchens, der Fackelzug, der Gottesdienst mit etwa 400 Teilnehmern (über 300 Gemeindeglieder kamen zum Abendmahl) zusammen mit den drei Bischöfen war eine denkwürdige Begehung des 500. Reformationsjubiläums mit bleibendem Erinnerungswert.
( aus Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien vom 19.11.2017 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autor∧ nach oben„Vollwertiger Gottesdienstraum“
Pfarrer i. R. Rolf Binder, Bischof Reinhart Guib und Dechant und Stadtpfarrer Hans-Bruno Fröhlich bei der Einweihung (v. l. n. r.). Foto: Werner FINK
Vergangenen Sonntag wurde in Schäßburg die Winterkirche mit den dazugehörigen „Prinzipalia“ – Altar, Taufschale und Orgel – im Rahmen eines Festgottesdienstes eingeweiht, wobei die Weihehandlung von Bischof Reinhart Guib, assistiert von Stadtpfarrer Hans-Bruno Fröhlich und Pfarrer i. R. Rolf Binder abgehalten wurde. Musikalisch untermalt wurde der Gottesdienst von dem Kirchenchor unter der Leitung von Theo Halmen, sowie von Musikwart Jürg Leutert, der auch die Register der neu restaurierten Samuel Binder Orgel vorstellte.
Bereits 2003 entschied man sich unter Pfarrerin Helga Rudolf, Gottesdienste in den Raum zu verlegen, wo die Konfirmandenstunden in der Klosterkirche gehalten wurden. Inzwischen ist es in Schäßburg zum Selbstverständnis geworden, dass die Gottesdienste Ende Oktober/Anfang November in diesen Raum verlegt werden.
„In der Tat geht heute ein Provisorat zu Ende”, sagte Fröhlich. „Es ist so, dass die Siebenbürger Sachsen gewohnt waren, in großen, schönen Räumen Gottesdienste zu feiern. Die Gemeinde ist dann aber kleiner geworden und es ist auch das Problem aufgetaucht, dass in der kalten Jahreszeit der große Kirchenraum nicht beheizbar war. So ist die Idee entstanden, dass man den Gottesdienst in einem beheizbaren Raum hält. In den letzten 10-15 Jahren hat man sich damit schwer getan. Es gab Leute im Presbiterium, die gerne gewollt hätten, dass man eine Heizung in die Kirche einbaut.”
Vor etwa einem Jahr wurden das Presbyterium und leitende kirchliche Angestellte einer Gemeindeberatung unterzogen, wo auch eine Spezialistin von der Arbeitsstelle für Supervision und Gemeindeberatung von der Bremischen Partnerkirche dabei war. „Ein Ergebnis dieser Gemeindeberatung war: Wir werden geordnet kleiner”, erklärte Fröhlich. Eine der Maßnahme sei nun eben auch die Herrichtung der Winterkirche gewesen.
So wurde die Samuel Binder Orgel aus der Siechhofkirche herübergeholt. Die Siechhofkirche wurde 1990 der griechisch-katholischen Gemeinde in Verwahrung gegeben, wobei die Orgel nicht benützt wurde, weil die griechisch-katholische Liturgie keine Musikinstrumente kennt. Infolgedessen musste die Orgel von der Orgelbauerwerkstatt Honigberg gründlich restauriert werden. In der selben Zeit wurde auch an der großen Rieger-Orgel in der Klosterkirche gearbeitet, wo ein Teil der Register der Samuel Binder-Orgel eingebaut waren und umgekehrt. „Der Zufall wollte es so, dass wir die originalen Register wieder gefunden haben”, sagte Barbara Dutli von der Orgelwerkstatt. „Ein Teil war hier, in der großen Orgel in der Klosterkirche eingebaut worden.” Im Rahmen der Restaurierungsarbeiten an der Samuel Binder Orgel wurden nun fünf der sechs originalen Register beibehalten. „Die sechste war die Mixtur, für den kleinen Saal zu laut und spitzig und so haben wir dann eine Flöte eingebaut, die zum kleinen Raum besser passt”, erklärte Dutli. Dieselbe Werkstatt stellte in ihrer Schreinerei auch den schönen Altar her, der stilistisch und farblich mit der Orgel und dem Raum zusammenpasst.
Die Taufschale und die Taufkanne wurden aus St. Leon-Rot bei Heidelberg geschenkt bekommen. „Wir können also in diesem Gottesdienstraum in der Winterzeit den Gottesdienst und die Kasualhandlungen abhalten und auch die Sakramente verwalten, es ist also ein vollwertiger Gottesdienstraum”, schlussfolgerte Fröhlich.
Die finanzielle Hauptlast bei der Einrichtung des Raumes trug die Kirchengemeinde Schäßburg und erhielt dabei Unterstützung von der Landeskirche.
Begrüßt wurden im Rahmen der Feier auch die Gäste aus Halle in Westfalen, die zur Zeit als Volontäre in Felldorf tätig sind, wo ein Verein die Herrichtung der Kirche und des Pfarrhauses übernommen hat.
Die Kirchengemeinde in Schäßburg besteht gegenwärtig aus 490 Seelen. Viele der jungen Gemeindemitglieder arbeiten aber entweder im Ausland oder in einer anderen Stadt im Lande. „Das ist der Nachteil von Schäßburg”, erklärte Fröhlich. „es ist eine schöne Touristenstadt, ist aber wirtschaftlich nicht so gut drauf, daher ist es für junge Leute hier ganz schwer Fuß zu fassen”.
Werner FINK
( von Beatrice Ungarn in der Hermanstädter Zeitung vom 25.10.2018 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung der Autorin∧ nach obenNeue Stadtpfeifen in Schäßburg
Dreitägiges Fest zur Restaurierung der Rieger-Orgel in der Klosterkirche
Von: Klaus Philippi
Freitag, 07. Juni 2019
Die Fähigkeiten der Kindertanzgruppe des Demokratischen Forums der Deutschen in Schäßburg erfreuen Augen und Herzen ganz Siebenbürgens. Foto: RadioSon Sighişoara
Nieselregen und ein grau verschlossener Himmel taten der Feststimmung zu Beginn der Deutschen Kulturtage Schäßburg/Sighișoara 2019 am Freitagnachmittag, dem 31. Mai, keinen Abbruch. Stadtbewohner, Reisende, regionale wie internationale Ehrengäste und die von Martha Szombati angeleitete Kindertanzgruppe „Burgspatzen“ des Demokratischen Forums der Deutschen in Schäßburg (DFDS) begaben sich kurzerhand in die evangelische Klosterkirche am Hauptplatz der Altstadt, um einander bei Grußworten und Volkstanzdarbietungen auf ein reichhaltiges Wochenendprogramm einzustimmen, das aufgrund Wiedereinweihung der spätromantischen und dreimanualigen Rieger-Orgel desselben Gotteshauses als mehrtägiges Ereignis musikalischer Prägung inszeniert wurde.
Hans Bruno Fröhlich, Stadtpfarrer der lokalen evangelischen Kirchengemeinde, und der DFDS-Vorsitzende Stefan Gorczyca, dessen federführende Präsenz vor Ort sich jederzeit auf das Organisationsgeschick und die helfenden Hände seiner Stellvertreter Andrea Rost und Dieter Fritsch stützen konnte, hießen den amtierenden und der PSD nahestehenden Schäßburger Bürgermeister Ovidiu Mălăncrăvean, die Vorsitzende der Heimatortsgemeinschaft (HOG) Schäßburg in Deutschland, Erika Schneider, und Harald Fratczak, Vizekonsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt/Sibiu, herzlich willkommen. Nicht weniger ergeben begrüßt wurden auch Carmen Motronea, Kulturreferentin des Deutschen Konsulats Hermannstadt, Gertraud Schuller, Vorsitzende der Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM) und Obfrau des Allgemeinen Deutschen Kulturverbandes Wien (ADK), Christoph Barthelt, Delegierter beider letztgenannter Einrichtungen, und Ernst Leonhardt, Vorsitzender der Schweizerischen Stiftung für Orgeln in Rumänien (SSOR).
Nach Eröffnungsklängen des Bläserchores der evangelischen Kirchengemeinde Schäßburg, makellosem Auftritt der „Burgspatzen“ und Begrüßungsansprachen wurden die Namen der Sponsoren der wenige Tage vorher abgeschlossenen Orgelrestaurierung bekannt gegeben. Dank finanzkräftiger Unterstützung seitens ÖLM, des ADK, der schweizerischen Stiftung für Abendländische Ethik und Kultur, vertreten durch Geschäftsführerin Yvonne Funk, und der ebenfalls schweizerischen Accordeos Stiftung, vertreten durch Geschäftsführerin Iris Utz-Huwiler, hatten zweckbestimmte Eigenmittel aus den Kassen der lokalen evangelischen Kirchengemeinde und des Fonds für Nachhaltigkeit der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) ausgereicht, den von der Orgelbauwerkstatt COT Honigberg/Hărman (Kreis Kronstadt/Brașov) für die gründliche Revision der Rieger-Orgel der Klosterkirche in Rechnung gestellten Gesamtbetrag zu stemmen.
Kantor Theo Halmen leitete zum ersten öffentlichen Konzert an dem restaurierten Vorzeigeinstrument des Baujahres 1906 über. Routiniert betätigte Gast Steffen Schlandt aus Kronstadt Manuale und Pedal des etwa 2200 Pfeifen zählenden Opus 1203 aus der Werkstatt der Gebrüder Rieger, die aus der Slowakei stammten, sich um die vergangene Jahrtausendwende in Siebenbürgen niedergelassen und 18 Ortsgemeinden der heutigen EKR mit kleinen, mittleren und großen Neubau-Instrumenten bestückt hatten. Abwechselnd zu Schlandts Interpretation dreier Orgelbearbeitungen bekannter Meisterstücke von Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel und Tomaso Albinoni gab Jürg Leutert, Musikwart der EKR, leicht verständliche Einblicke in Geschichte und Fachwortschatz der Materie Orgelbau und ließ auch den Namen des Hermannstädter Kantors und gebürtigen Slowaken Ján Levoslav Bella (1843-1936) nicht unerwähnt, der stets für Auftragsvergabe an die Firma Rieger warb und hiermit in Schäßburg auf Erfolg stieß, jedoch Jahre später in Hermannstadt an seinem eigenen Arbeitsplatz infolge pfarramtlichen Drucks dem vergleichsweise billigeren Angebot der Firma Wilhelm Sauer den Zuschlag geben musste.
Ehe Steffen Schlandt eine Kostprobe langgestreckten Lautstärke-Anwachsens in bester Bruckner-Manier improvisierte, hierfür die Möglichkeiten der Walze der großen Rieger-Orgel in der Schäßburger Klosterkirche vollumfänglich aufspielen ließ und das Festkonzert mit einer Bearbeitung Bachs zeitlos berühmter „Ciaconna“ für Violine solo beendete, führte er auf Jürg Leuterts Moderation hin sämtliche neu erstrahlenden Einzelklangfarben des Instruments vor. Handwerker und Karrierestarter Árpád Ma-gyar, unter Anleitung der schweizerischen Mentoren Barbara Dutli und Ferdinand Stemmer, ausgebildeter Orgelbaumeister und Geschäftsführer der Werkstatt COT Honigberg, die dem Verantwortungsbereich der SSOR weitestgehend entwachsen ist und sich seit Herbst 2018 in wirtschaftlichem Selbstmanagement übt, darf sich die Autorschaft der stilecht durchgeführten Restaurierung eines edlen Klangbildes zweifelsohne als vielversprechende Visitenkarte anrechnen lassen.
Dem internationalen Kindertag entsprechend hielt der nachfolgende Samstag einen Programmpunkt bereit, der in rumänischer Sprache veranstaltet wurde und die Aufmerksamkeit kleiner Zuhörer und deren Eltern für sich entschied: Mittags um 12 Uhr führten Ursula Philippi an der Rieger-Orgel, Kurt Philippi am digitalen Schaltpult einer 50-teiligen Bilderfolge und Jürg Leutert an einem Paar Pauken das szenische Orgelmärchen „Die Bremer Stadtmusikanten“ auf. Einmal mehr entpuppte sich die mit dem Künstlerpseudonym Dan Faur unterzeichnete Übersetzung von Literat Avram Alfred Fechner (1911-1961) als Erfolgsgarant.
Zwei Stunden Ruhepause später empfing Orgelbauer Hermann Binder (Hermannstadt) Erwachsene im Sandersaal zu einem einstündigen Vortrag der Überschrift „Schäßburg im Netz siebenbürgischer Orgelgeschichte“. Detailgenau fügte er Querverbindungen geschichtsträchtiger Orts- und Personennamen zu einem Informationsnetz zusammen, das in direktem Verhältnis zum ehemaligen Wirtschaftsprofil Schäßburgs steht und die Nähe der Stadt zu Szeklergebiet und Burzenland hervorhebt. Kein Zufall ist die stilistische Verwandtschaft der Buchholz-Orgel der Schwarzen Kirche Kronstadt mit ihrem Schwesterinstrument von Carl Schneider in der evangelischen Kirche Agnetheln/Agnita, war doch Schäßburg Hermann Binder zufolge stets kulturell entscheidender Mittelpunkt Gesamtsiebenbürgens. Bestimmt hatte auch István Kolonics (Szekler Neumarkt/Târgu Secuiesc/Kézdivásárhely), der 1877 die Orgel des römisch-katholischen Doms zu Karlsburg/Alba Iulia erbaute, Schäßburg gekannt.
Ein lang erwartetes Nachmittagskonzert der Birmingham Festival Choral Society (Großbritannien) brachte volle Auslastung des Hauptschiffes der Klosterkirche. Chorleiter David Wynne führte ein 50 Stimmen starkes Ensemble, dem hauptsächlich leistungsbereite Ruheständler angehörten, durch ein anspruchsvolles Programm barocker, klassischer, romantischer und original englischer Tonsprache. Mit Hinzunahme von Auszügen aus Vivaldis „Gloria“, Mozarts „Laudate Dominum“ und des Mittelsatzes „Wie lieblich sind deine Wohnungen“ aus dem „Deutschen Requiem“ von Johannes Brahms wurde der rote Faden gesponnen. Dennoch konnten weder Organist Kevin Gill als souveräner Interpret der Choralimprovisation op. 65 nr. 59 „Nun danket alle Gott“ von Sigfrid Karg-Elert an der Rieger-Orgel, der auch ein portables Begleitinstrument geschickt beherrschte, noch die begabte Solistin Alexandra Wynne (Sopran) und eine gewohnt britische Chorklangbreite über mangelhafte Intonation hoher Ensemblestimmen oder harsch entstellte Kraftdemonstrationen einzelner Tenöre hinwegtäuschen.
Sonntag, am 2. Juni, feierte Schäßburg unter Regie von Bischof Reinhart Guib und Stadtpfarrer Hans Bruno Fröhlich einen evangelischen Festgottesdienst in der Klosterkirche, der in ein Orgelkonzert mit Kantor Theo Halmen mündete. Der Aufmarsch traditionell siebenbürgisch-sächsisch gekleideter Tanz- und Trachtengruppen aus Sächsisch Regen/Reghin, Hermannstadt, Mühlbach/Sebeș und Schäßburg erfolgte nachmittags zu Blasmusik der Kapelle „Schäßburg Brass“. Gegenseitige Abschiedsgrüße und Hoffnungsaussprachen auf baldiges Wiedersehen innerhalb mittelalterlicher Ringmauern an der Großen Kokel/Târnava Mare klangen im Schänzchen, der Bastei vor dem Zinngießerturm/Bastionul Cositarilor, aus.
Wie wird es nach den Deutschen Kulturtagen 2019 um das ständige Musikangebot Schäßburgs bestellt sein? Eine Anfahrt zu Orchesterspielstätten der siebenbürgischen Nachbarstädte Kronstadt, Hermannstadt, Neumarkt/Târgu Mureș und Klausenburg/Cluj-Napoca erfordert mehrere Stunden Zeitaufwand. Für Musikwart Jürg Leutert liegt ein verblüffendes Ersatzangebot auf der Hand: „Auch wenn Schäßburg zurzeit kein eigenes Sinfonieorchester beschäftigt, steht trotzdem eines hier auf der Empore der Klosterkirche!“
( von Klaus Philippi in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien vom 7.6.2019 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autor∧ nach obenBeidseitige Anerkennung im evangelisch-orthodoxen Dialog
Honterus-Verlag und Dr. Hans Bruno Fröhlich werben für „einmalige Gabe“
Von: Klaus Philippi
Freitag, 25. September 2020
Buchvorstellung in Hermannstadt: Prof. Dr. Stefan Tobler, Moderator Benjamin Józsa, Geschäftsführer des DFDR und Vereinsvorsitzender des Honterusverlages, Pr. Dr. Dozent Irimie Marga und Dr. Hans Bruno Fröhlich (v.l.n.r.) Foto: Klaus Philippippe des Demokratischen Forums der Deutschen in Schäßburg erfreuen Augen und Herzen ganz Siebenbürgens. Foto: RadioSon Sighişoara
Hermannstadt – Hans Bruno Fröhlich (Jahrgang 1972), Stadtpfarrer der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) in Schäßburg/Sighișoara, weiß aus über zwanzig Jahren eigener Erfahrung geistlicher Art in der „ökumenisch gesegneten“ Stadt an der Großen Kokel/Târnava Mare von Nuancen der christlichen Taufe zu sprechen und wurde 2019 nach erfolgreichem Abschluss des Promotionsstudiums an der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt/Sibiu (ULBS) zum Doktor der Theologie ernannt. Seine wissenschaftlich für wegweisend befundene Arbeit „Eine einmalige Gabe. Die Frage der Anerkennung der christlichen Taufe zwischen evangelischer und orthodoxer Kirche und die Praxis in Rumänien“ liegt ab sofort in Buchform im Honterus-Verlag auf, erschließt sich auch dem Leseverständnis theologischer Laien und wurde mit finanzieller Unterstützung des Departements für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Rumänischen Regierung durch das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) und das Demokratische Forum der Deutschen in Schäßburg (DFDS) gedruckt. Der 400 Seiten starke Band wird von beiden Foren gratis vertrieben, kann aber auch zum günstigen Preis von 45 Lei in den Buchhandlungen des Schiller-Verlages gekauft werden.
Dienstagnachmittag, am 22. September, stellten Buchautor Dr. Hans Bruno Fröhlich und zwei Mitglieder der Prüfungskommission, die seinem Rigorosum vergangenes Jahr den verdienten Erfolg bescheinigt hat, im Hof des Begegnungs- und Kulturzentrums „Friedrich Teutsch“ Hermannstadts in deutscher und rumänischer Sprache das schriftliche Ergebnis von fünf Jahren Forschungsarbeit zu einem Thema der ökumenischen Theologie vor.
Dr. Irimie Marga, Dozent an der Fakultät für Orthodoxe Theologie „Andrei Șaguna“ der ULBS, ist stolz darauf, Mitglied der Jury gewesen zu sein, die über die wissenschaftliche Rechtschaffenheit eines wahrhaft „siebenbürgischen Ereignisses“ zu urteilen hatte, und räumt ein, dass die ökumenische Beziehung zwischen der Orthodoxen Kirche Rumäniens und der EKR kein Ding der Einfachheit ist. Überall da, wo Gottesdienst und Taufe feiernde Gemeindeglieder beider Kirchen leicht miteinander ins Gespräch kommen, gilt es zu bedenken, dass Begriffe wie Eschatologie und Häresie sich stets ungleich belastender auf den institutionellen Dialog beider Kirchen zueinander auswirken können. Toleranz bedeutet ein tiefgehendes und mit hoher Ausdauer gepaartes Verständnis. Für Dr. Irimie Marga ein guter Grund, das neue Buch von Stadtpfarrer Dr. Hans Bruno Fröhlich viel eher als zukünftige Unterstützung für den Dialog denn als ein endgültiges Lösungsrezept herauszustellen.
Ein ungarisch-calvinistischer und zwei rumänisch-orthodoxe Professoren haben der Prüfungskommission angehört, die über die Doktorarbeit von Hans Bruno Fröhlich beraten hat. Dr. Stefan Tobler, Professor am Departement für Geschichte, Kulturerbe und Protestantische Theologie an der ULBS, hat das Promotionsstudium des Schäßburger Stadtpfarrers als Mentor begleitet und überaus erfreut festgestellt, dass sein Doktorand nicht vordergründig Fachartikel interpretiert, die dem deutschsprachigen Lesepublikum bereits aus zahlreichen anderen Arbeiten der Gegenwart und bisherigen Vergangenheit bekannt sind, sondern übersetzte Texte aus Finnland, Polen und Portugal anführt. „Fragen der Ökumene sind nicht schwarzweiß und erlauben darum auch keine Polemik im Beantworten. Hans Bruno Fröhlich urteilt theologisch präzise, hütet sich aber davor, zu verurteilen (...) Die Katholische Kirche erkennt seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Protestantische Kirche als Glied des Leibes Christi an. Die Orthodoxe Kirche ist diesen Weg nicht gegangen, weswegen die Taufe im evangelisch-orthodoxen Dialog ein schwieriger Punkt ist“, so der reformierte Theologe aus der Schweiz.
Dialog ist wie ein Perpetuum Mobile und braucht einen frei schwingenden Resonanzdraht. Resonanz verstummt, wenn ihr Draht an einem seiner zwei Enden übertrieben stark festgehalten wird, wie Hartmut Rosa, Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, im Buch „Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung“ (Suhrkamp Verlag Berlin, 2019) darstellt. Stadtpfarrer Dr. Hans Bruno Fröhlich hat unlängst einmal mehr Disponibilität zu Resonanz bewiesen und seine Predigt für Sonntag, den 23. August, folgendermaßen beendigt: „Gottes Geschichte mit seinen Menschenkindern geht weiter trotz Skandalgeschichten, trotz Verfehlungen. Wichtig ist (…) die eigene Schuld einzusehen und einzugestehen. Vor allem und zuerst bei uns selber. Amen.“
( von Klaus Philippi in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien vom 25.9.2020 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autor∧ nach oben
Heiligabend im Radio mit Stadtpfarrer Dr. Hans Bruno Fröhlich aus Schäßburg, 24.12.2020
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Normalerweise bleibt zu Weihnachten in den Kirchen kein Platz unbesetzt. Dieses Jahr ist das wegen der Corona-Pandemie leider nicht möglich.
Gottesdienste im Fernsehen oder Radio sind eine Alternative. Im heutigen Programm bringen wir eine Radioandacht zu Heiligabend. Es spricht Stadtpfarrer, Dr. Hans Bruno Fröhlich aus Schäßburg.
Es gilt das gesprochene Wort!∧ nach obenAuf den Glauben kommt es an
Konfirmation zu Pfingsten in der Bergkirche
28. Mai 2021
Frank Staffendt, Brenda Polder, Stadtpfarrer Dechant Dr. Hans-Bruno Fröhlich, Anna Margadant und Eduard Schuller (/v. l. n. r.). Foto: Privat
Auch in Schäßburg fand in diesem Jahr die Konfirmation am Pfingstsonntag statt. Besonders schön war, dass alle vier Konfirmanden die siebenbürgisch-sächsische Volkstracht trugen. Die Konfirmandenprüfung fand nicht wie üblich am Abend davor, sondern im Gottesdienst in der Bergkirche statt.
In seiner kurzen Ansprache zum Wochenspruch (Sacharja 4,6b) richtete sich Stadtpfarrer und Schäßburger Dechant Dr. Hans-Bruno Fröhlich folgendermaßen an die Konfirmanden und ihre anwesenden Angehörigen: ,,Wir leben in einer Zeit, in der Menschen sich über ihre Leistungen definieren. Auch die Konfirmation ist ein Akt, in dem Wissen erworben und dann abgefragt wird; gewissermaßen ordnet sie sich auch in dieses Leistungsschema ein. Im Gegensatz zur Taufe, die den Täufling bedingungslos gewährt wird, ist die Konfirmation also eine Handlung, die erst dann vollzogen werden kann, wenn eine Bringschuld aufgebracht wurde.
Trotzdem – und daran werden wir zu Pfingsten aufs Neue erinnert – sind wir nicht in der Lage, aus eigener Kraft das Leben zu meistern. Wir sind auf Gott angewiesen, der uns geschaffen hat und erhält und uns durch seinen Geist führt und leitet. ‚Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen‘, spricht Gott durch die Stimme des Propheten. So wollen wir jetzt beides im Blick haben: Einerseits hören wir gleich, wie sich unsere Konfirmanden für ihren großen Tag vorbereitet haben; andererseits wissen wir alle, dass wir im Glauben den Zugang zu Gott finden und nicht im Wissen.
„Liebe Konfirmanden! Möge Gott Euch seinen Geist schenken, damit ihr nun Zeugnis von Seiner Wahrheit ablegen möget. ER begleite Euch mit seinem Geist nicht nur durch den heutigen Tag, sondern durch alle Tage Eures Lebens, bis ihr ihn von Angesicht zu Angesicht sehen werdet.“
Die Redaktion der Hermannstädter Zeitung schließt sich den Gratulanten an und wünscht ihrem treuen und umsichtigen Begleiter Hans Klein alles Erdenklich Gute.
Beatrice UNGAR
( von Beatrice Ungar in der Hermanstädter Zeitung vom 28.5.2021 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung der Autorin∧ nach obenDankbarkeit und Wertschätzung
80. Geburtstag von Prof. em. Dr.Hans Klein in gediegenem Rahmen nachgefeiert
9. Juli 2021
Hermannstadts Bürgermeisterin Astrid Fodor (rechts außen) bei ihrer Ansprache, Festgäste und Jubilar hören aufmerksam zu (v. 1. n. r.): Luxemburgs Honorarkonsul Daniel Plier, der DFDR-Landesvorsitzende
Paul-Jürgen Porr, Sabine Reuter, Heide Klein, Hauptanwalt Friedrich Gunesch, Dr. Rainer Reuter, der Jubilar, Prof. Dr. Hans Klein und Bischof Reinhart Guib. Foto: Beatrice UNGAR
„Wie kaum ein anderer verkörpert Hans Klein die Verbindung zwischen akademischer Theologie und kirchlicher Praxis", sagte Hans-Bruno Fröhlich, Schäßburger Stadtpfarrer und Dechant, in seinem Grußwort im Rahmen des Abschlussgottesdienstes des Studienjahres 2020/2021 am Protestantisch Theologischen Studiengangs der Lucian Blaga-Universität am Samstag in der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt. Der Gottesdienst beschloss auch den „Dies Academicus", der Prof. em. Dr.Hans Klein gewidmet war.
Hans Klein hatte pandemiebedingt seinen 80. Geburtstag am 9. November 2020 im kleinen Kreis seiner Familie feiern müssen. Auf Initiative von Pfarrer Stefan Cosoroabä, dem Leiter des Zentrums für Evangelische Theologie Ost (ZETO), kam es am Samstag dann zu einer (Nach)Feier, die mit einem Akademischen Tag in der Aula des Theologischen Instituts begann, dessen musikalischen Rahmen die Stadtkantorin Brita Falch-Leutert gestaltete.
Nach Vorträgen von Prof. em. Dr. Dietrich Alex Koch (Universität Münster), Dr. Thomas Pitters (Diakoniewerk Gallneukirchen) und Dr. Daniel Zikeli (evangelische Kirchengemeinde Bukarest) stellte Pfarrer Samuel Piringer (Öhringen) das neueste Buch des Jubilars vor: „Der Mensch zwischen Himmel und Erde. Jesus nach dem Zeugnis der Evangelien".
In der evangelischen Stadtpfarrkirche begrüßte Kuratorin llse Philippi die „akademische Festgemeinde" im Namen der evangelischen Kirchengemeinde A. B. Hermannstadt und wies darauf hin, dass Hans Klein im Oktober 1993 als geschäftsführender Pfarrer in dieser Gemeinde eingeführt worden sei und ihr fünf Jahre lang gedient hat. Seit 1998 widmete er sich seiner Tätigkeit am Theologischen Institut und im Rahmen des Hermannstädter Forums. Nach 23 Jahren sei aber nichts mehr so geblieben, stellte die Kuratorin fest. So sei das Theologische Institut der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien nach der Eingliederung in die Lucian Blaga Universität.
Prof. Dr. Stefan Tobler, der leitende Professor des Studienganges und dessen einziger voll Angestellter legte einen kurzen Jahresbericht vor über ein ungewöhnliches Hochschuljahr 2020/2021, in dem Vieles online stattgefunden hat. Sogar die Deutsch Sprachkurse, die seit kurzem als „postuniversitäre Weiterbildungskurse" gelten. Den 15 Studierenden und zwei Gaststudierenden standen 14 Lehrbeauftragte aus dem In- und Ausland zur Verfügung. Tobler begrüßte insbesondere die Gründung des Zentrums für Protestantische Theologie Ost (ZETO) als „Ausdruck der Verbindung mit unserer Kirchenleitung und Netzwerkbildung ins Ausland". Bei der Verabschiedung der drei Absolventen des Studiengangs wünschte er ihnen, ihre Leidenschaft für die Theologie möge ihnen erhalten bleiben.
„Dem Leben dienen" lautet der Titel der Festschrift, die Dr. Rainer Reuter, Lehrbeauftragter für Neues Testament, und Thomas Pitters zusammengestellt haben. Dr. Reuter überreichte dem Jubilar einen Vorabdruck. das Buch wird voraussichtlich im Herbst 2021 im Honterus-Verlag erscheinen.
Im Namen der ehemaligen Studentinnen und Studenten des Jubilars bedankte sich der Schäßburger Stadtpfarrer und Dechant Dr. Hans-Bruno Fröhlich bei Hans Klein und erinnerte daran, dass dieser ihnen „in den wilden 90er Jahren" als
„väterlicher Begleiter ins Pfarramt und im Pfarramt" zur Seite gestanden sei. Nicht nur deshalb verdiene er Dankbarkeit und Wertschätzung.
Im Anschluss an den Abschlussgottesdienst, in dessen Rahmen er die Predigt gehalten hatte, lud Bischof Reinhart Guib zu einem Empfang im Bischofspalais ein, wo zunächst der Gastgeber selbst und danach mehrere Weggenossen des Jubilars in Ansprachen ihre Wertschätzung und Dankbarkeit zum Ausdruck brachten.
Bischof Guib machte den Anfang: „Auch wenn mit einiger Verspätung dürfen wir heute unseren Jubilar Hans Klein feiern. Wir danken Gott, dass die Pandemie wenigstens vorläufig abgeklungen ist und wir uns heute hier treffen können.
Am 9. November 2020 bist Du, lieber Hans, achtzig geworden. Mitten in einer Zeit, in der die pandemischen Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen eine Geburtstagsfeier mit Wegbegleitern und Freunden unmöglich machten. (..) Ich teile mit Vielen die Freude, dass die Wertschätzung von Hans Klein, unserem lieben Freund, Pfarrer-, Stadtpfarrer-, Doktor der Theologie, Professor-, Dekan-, Bischofsvikar a. D. aber auch Forumsgründer, Politiker, Philosoph, Visionär und Seelsorger nun heute Gestalt angenommen hat durch den akademischen Tag, den Abschlussgottesdienst mit Würdigung und nun diesen Empfang im Bischofshaus, allesamt an Wirkungsstätten des Gefeierten.
Wir haben Hans Klein außerordentlich viel zu verdanken: Noch keine 23 ließ er sich nach einem Vikariat in Liebling auf seine erste Pfarrstelle ins Banat, nach Lugosch, entsenden und die ersten Erfahrungen im außersiebenbürgischen Raum sammeln. In seiner zweiten Pfarrstelle im südsiebenbürgischen Deutsch-Kreuz, mit seiner geliebten Gattin Heide an der Seite, setzte er die Weichen für seine akademische Laufbahn, durch seinen Doktor der Theologie. Es folgten fast vier Jahrzehnte als Professor für biblische Theologie und später als theologischen wie Hans-Kle1n-ongine11en Kommentare, seiner ordnungsstrengen wie menschennahen Begegnungsweise. Daher ist es gar nicht verwunderlich, dass seine beiden Söhne anerkannte promovierte Pfarrer und seine beiden Töchter kirchennahe engagierte Frauen geworden sind.
Prof. Dr. Stefan Tobler, Professor für Systematische Theologie und zugleich leitender Professor des Studiengangs (rechts) verabschiedete die drei Absolventen: Claudiu Riemer, Ligia Talo!? und Monica Montsch (v. 1. n. r.) und überreichte ihnen je ein Faltkreuz mit einem Bibelvers. Foto: Beatrice UNGAR
Nach der Wende war er einer der Männer der ersten Stunde, die das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien aus der Taufe hoben und später als Hermannstädter Forumsvorsitzender auch anführte. Sein Herz schlägt bis heute für seine Kirche sowie siebenbürgisch-sächsische und deutsche Gemeinschaft in Rumänien. Diesen zu dienen ist für ihn zur Lebensaufgabe gewachsen.
Für das Theologische Institut suchte er seit der Wende nach Wegen in eine neue Zukunft, gründete einen Freundeskreis um die finanzielle Grundlage zu stärken und ebnete die Bahn zur Eingliederung in die Hermannstädter Lucian Blaga-Universität, im Jahr 2006. Er war der erste Direktor des neuen Departements für Protestantische Theologie. So wurde das theologische Studium in Hermannstadt, durch die damaligen Umbrüche hindurch, an der Konfluenz zwischen Ost und West, Okzident und Orient, Katholizismus, Protestantismus und Orthodoxie, für die Evangelischen und nicht nur, eine interessante und gern angenommene Studienoption im Inland und im westlichen wie östlichen Ausland.
Seine denkerische und visionäre Tiefe und Weite ist unserer Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien zum Segen geworden. Als langjähriger Bischofsvikar hat er Vielen Mut gemacht zum Bleiben und sich Einsetzen für ein erfülltes Leben hier. Er war sich nicht zu schade, in einer sich hinziehenden Vakanzphase der Hermannstädter Kirchengemeinde als Stadtpfarrer zu dienen. Für diese wie für alle Gemeinden und Gemeindeglieder, in deren Mitte er gewirkt hat und die ihm anvertraut wurden und besonders für die jungen und die bedürftigen Menschen, sind seine Ohren stets empfänglich, seine Hände gebebereit, sein Herz voller Wärme.
Einerseits, um eine Sache zu disputieren und andererseits, eine versöhnliche Haltung einzunehmen war bei ihm kein Widerspruch, sondern gelebte Wirklichkeit und das auch in den Jahren im Ruhestand. Bis hierher und wohl Zeit seines Lebens wird das ,i. R.' bei Hans Klein eher ,in Reichweite, bedeuten, denn das theologische und mitgehende Denken für seine Gemeinschaft hört bei ihm nimmer auf.
Im Namen der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien danken wir dem Herrn des Lebens für unseren Jubilar, Prof. Dr. Hans Klein, und sein segensreiches Wirken unter uns, im Dienst seiner Kirche, seines Volkes und seiner Stadt und damit im Dienste des Herrn und wünschen ihm sowie seiner ihn stets unterstützenden und entlastenden Gattin Heide für das was kommt: ,Ad multos et felicitas annos sub deo est benedictio."
Im Namen des Demokratischen Forums der Deutschen würdigte dessen Landesvorsitzender Paul-Jürgen Porr den Jubilar wie folgt: „Über Hans Klein als Theologen, Dekan und Bischofsvikar wurde ausgiebig gesprochen. Ich möchte einiges über Hans Klein und seine Verbindung zum Forum sagen.
Im Dezember 1989 war er ein Mann der ersten Stunde im wahrsten Sinne des Wortes. Mit Paul Philippi, Hermann Pitters und Wolfgang Rehner trafen sie sich noch vor Weihnachtem, um zu beraten, wie man eine politische Vertretung der deutschen Minderheit aus der Taufe heben könnte. Einige Tage darauf, als in Hermannstadt geschossen wurde, wurde auch Hans Klein durch einen Lungenschuss ziemlich schwer verwundet. Gott stand ihm auch diesmal, wie so oft, bei und Hans Klein genas. Als dann das Forum offiziell gegründet wurde, war Hans Klein einer, der die Verbindung zwischen Forum und Kirche durch seine Personalunion herstellte. Schon damals war ich von seinem präzisen Stil beeindruckt.
Es gab damals noch gewaltige Dissonanzen zwischen Forum und Landsmannschaft. Hans Klein war der, der in Kanada den Beitritt des Siebenbürgenforums zur Föderation der Siebenbürger Sachsen besiegelte, was ihm nachher von einigen leider ziemlich übelgenommen wurde. Hans Klein war 24 Jahre lang Stadtrat seitens des Forums und hat in diesen Jahren vieles bewegt, was ihm sogar Mitglieder verschiedener Parteien wohlwollend bestätigten.
Meines Erachtens war sein größter Verdienst die Entdeckung von Klaus Johannis als Politiker. Er überzeugte ihn im Jahr 2000 als Bürgermeisterkandidat anzutreten. Der Rest ist bekannt."
Hans Klein blickt auf eine bemerkenswerte theologische und politische Laufbahn zurück. Diese war, wie aus dem Buch „Auf dem Wege", das kurz vor seinem 80. Geburtstag im Honterus-Verlag erschienen ist, immer wieder hervorgeht, von Stichworten geprägt, die gleichzeitig seinen Lebenslauf bestimmt haben: Vertrauen, Hoffnung, Mut, neue Wege zu beschreiten, Ausschau halten nach offenen Türen, Gemeinwesen, Gemeinschaft, Zuverlässigkeit, Vision, konstruktiver Optimismus, Zuversicht. Sein Leitspruch, den Hans Klein in dem Buch an die Leserinnen und Leser weiterreicht, lautet: „Man kann sich selber nur treu bleiben, wenn man sich entwickelt und entfaltet."
Das Geheimnis hinter solch zuversichtlicher Lebenshaltung und hinter solch gewaltigem Lebenswerk sei, so Hans Klein in seinem kurzen Dankeswort an alle Rednerinnen und Redner beim Empfang im Bischofshaus , sei seine Gattin Heide Klein, die mehr war und ist als „seine bessere Hälfte". Klein sagte: „Sie ist meine Mitte". Sie habe ihn stets unterstützt und ihm Halt geboten. Dafür danke er ihr in aller Öffentlichkeit.
Die Redaktion der Hermannstädter Zeitung schließt sich den Gratulanten an und wünscht ihrem treuen und umsichtigen Begleiter Hans Klein alles Erdenklich Gute.
Beatrice UNGAR
( von Beatrice Ungar in der Hermanstädter Zeitung vom 9.7.2021 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung der Autorin∧ nach oben„Geläuterte Vernunft“
Zum 250. Geburtstag Samuel von Brukenthals
16. Juli 2021
Zum 300. Geburtstag des Sammlers, Gubernators und Museumsgründers Baron Samuel von Brukenthal bringt die Hermannstädter Zeitung einige ausgewählte Beiträge aus der Presse der letzten hundert Jahre, um zu veranschaul ichen, wie Brukenthal vor 100 und vor 50 Jahren gewürdigt wurde. In unserer aktuellen Ausgabe lesen Sie an dieser Stelle den Beitrag des siebenbürgischen Historikers Dr. Thomas Nägler (1939-2011), der aus Anlass des 250. Geburtstags des Barons in der Ausgabe Nr. 187/23. Juli 1971der Hermannstädter Zeitung erschienen ist.
Samuel von Brukenthal wurde am 26. Juli 1721, vor 250 Jahren also, geboren. Sein Vater, Michael Brekner, mit dem Prädikat ,,von Brukenthal“ geadelt, war 1703 Landtagsabgeordneter und nach seiner Bewährung auf seiten der Kaiserlichen im Kuruzenkrieg Königsrichter von Leschkirch geworden.
Über die ersten Lebensjahre des späteren Staatsmannes Samuel von Brukenthal ist wenig bekannt. Er lebte im Leschkircher Vaterhaus und es ist anzunehmen, dass er zunächst in Leschkirch die Schule besucht hat. In seinem 12. Lebensjahr brachten ihn die Eltern zwecks Erlernung der ungarischen Sprache nach Klausenburg, danach kam er ans Hermannstädter Gymnasium, wo ihm die Grundlagen seiner humanistischen Bildung vermittelt wurde. 1743 inskribierte Brukenthal an der Universität Halle, die in jener Zeit die Stärkste Anziehung auf die Siebenbürger Sachsen ausübte.
Außer Geschichte studierte Brukenthal noch Philosophie und Theologie und lernte Französisch.
Ein Ausschnitt aus der Liste mit den 19 Meisterwerken aus der Brukenthalschen Gemäldesammlung, die 1948 als „Leihgabe" (Lucräri mprumutate) nach Bukarest, ins damals im Aufbau befindliche Nationale Kunstmuseum (Muzeul National de Artä) gebracht wurden. Auf der Liste befinden sich Jan van Eycks „Mann mit der Sendelbinde", das kostbarste Stück der Galerie, sowie Werke von Lorenzo Lotto, Hans Memling,
Pieter Bruegel d. J., David Teniers d. J., Philips Wouwerman, Rosalba Carriera, Jacob Jordaens, Antonello da Messina. Diese einfache Liste, ohne jegliche Unterschrift oder Stempel habe ausgereicht, um diese Werke aus dem Brukenthalmuseum nach Bukarest zu bringen. Dort verblieben sie bis zum Jahr 2006, als sie nach langem Hin und Her endlich zurückerstattet wurden. In seinem vorliegenden Beitrag - 1971 war Rumänien ein kommunistischer Staat - konnte Dr. Thomas Nägler nicht darauf hinweisen, dass das
Brukenthalmuseum und seine Sammlungen enteignet worden sind, auch nicht darauf, dass im Mai 1968 acht Gemälde aus dem Museum gestohlen worden sind. Der sensationelle Gemälderaub war der erste, derje in Rumänien stattgefunden hatte. Eine lapidare Pressemeldung wies damals darauf hin, über die Ermittlungen und ihr Ergebnis wurde nicht berichtet. Nach 30 Jahren, 1998, tauchten vier der Bilder in den USA auf. Die Gemälde - es handelte sich um Werke von Tizian, Frans van Mieris d. Ä., Rosalba Carriera und dem „Mann der Legende des HI. Augustin" - kamen auch erst auf Umwegen wieder zurück nach Hermannstadt
Nach einem kurzen Aufenthalt in Jena kam Brukenthal 1745 nach Hermannstadt zurück, wo er zuerst Gerichtsschreiber und 1751 Vizenotär wurde. Es ist für Brukenthal bezeichnend, dass er von Anfang an auf eine Karriere in der sächsischen Verwaltung verzichtete und in den Guberniumsstellen seinen Aufstieg versuchte.
Als Gerichtsschreiber und Vizenotär stiess Brukenthal auf die in Siebenbürgen scharf ausgetragenen Zeitfragen. Siebenbürgen war nicht aufgrund einer längeren historischen Entwicklung dem Habsburgerreiche angegliedert, sondern durch Waffengewalt den Türken entrissen worden. Leopold I. hatte ein bedeutendes Land übernommen, das aber innenpolitisch zerrissen war. Territorialrechtlich in Gebiete des ungarischen Adels, der Szekler und Sachsen gegliedert, die verschiedene Rechte, Gewohnheiten und Sprachen hatten, durch äusseres Eingreifen immer wieder vereint und getrennt, wirtschaftlich auf unterschiedlichem Niveau, mit einem noch auf den klassischen Methoden der Feudalordnung beruhenden System, war Siebenbürgen ein Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung, die Rumänen, ebenfalls durch Tradition, rechtlos war. In seiner Vorrangstellung von Frankreich, Preussen und Russland überholt, hoffte nun Österreich mit seinen neuen Erwerbungen (Ungarn, Siebenbürgen, Teile Polens und der Bukowina) seine Gegner aus dem Feld zu schlagen. Die Oberschichten der drei damals anerkannten Völker – Ungarn, Szekler und Sachsen – fochten einen dreifachen Kampf aus: untereinander, gegen die Österreicher und alle zusammen gegen die Rumänen, die für gleiche Rechte und finanzielle Entlastung kämpften. Nur aus dieser Gesamtlage heraus ist das Werk Brukenthals zu verstehen.
Als gut informierter Gubernialsekretär reiste Brukenthal 1759 zum erstenmal nach Wien, um hier Fragen des Guberniums und der sächsischen Nation vorzutragen. Von vornherein war Brukenthals Tätigkeit doppelt belastet und sie blieb es bis zum Ausscheiden aus seinem Amt. Als Gubernialsekretär oblagen ihm, um ein Beispiel zu nennen, Fragen der Besteuerung, die für das Herrscherhaus günstig ausfallen mussten. Andererseits betraute ihn die sächsische Nationsuniversität mit ihren Wünschen, die im allgemeinen auf die Wiedereinführung der eingeschmälerten Rechte hinauszielten.
In Wien erst sollte Brukenthal den Aufbau der österreichischen Herrschaft kennenlernen, das komplizierte System von Eingaben, Referenzen und Audienzen, wo Vertreter und Kommissäre, Deputationen aller Völker und Volksschichten eintrafen, die um die Gunst der Kaiserin Maria Theresia warben. Hier erkannte Brukenthal, dass Siebenbürgen nur ein kleiner Teil der Donaumonarchie war und dass bei dem gegebenen System kleine Forderungen viel Aufwand nötig machten. Wir betonen, dass Brukenthal dank seiner Fähigkeiten, seiner gründlichen Kenntnisse in der Verwaltung, seiner überzeugenden Denk- und Vorgangsweise, seiner Vorbildung für die bis ins Tausendste gehenden juridisch- historischen Streitfragen, seiner Aufgabe gewachsen war und mit überraschenden Ergebnissen nach Hermannstadt zurückkehrte.
Die Wahrung der sächsischen Eigenverfassung wie auch allgemein siebenbürgische Fragen, die durch das Einwirken Brukenthals in Wien zufriedenstellend gelöst wurden, rückten ihn in das allgemeine Interesse der Wiener und Hermannstädter Behörden.
Am Wiener Hof kam es zu jener Zeit zu weitläufigen Verhandlungen über die Besteuerung des siebenbürgischen Fürstentums, in denen die mittelalterlich-ständische Überlieferung Siebenbürgens mit dem absolutistisch regierten Grossstaat nicht zu vereinbaren waren. Hauptthemen der Auseinandersetzungen waren Urbarialregulierung, Kontributionsfrage, Konzivilität (Gleichberechtigung der Rumänen und Ungarn auf dem Sachsenboden), Militarisierung der siebenbürgischen Grenzen und die Frage der Auswanderung der Leibeigenen aus Siebenbürgen.
Am 6. Juli 1774 wurde Brukenthal als Stellvertreter des abgesetzten siebenbürgischen Gubernators zum bevollmächtigten Kommissär und Vorsitzenden des Guberniums ernannt. Drei Jahre später, am 30. Juli 1777, wurde er Gubernator des Grossfürstentums Siebenbürgen. Die Kaiserin Maria Theresia nannte Brukenthal einen Mann „mit Scharsinn, Fähigkeit, Diensteifer und vor allem Klugheit und Genauigkeit". In den politischen Kämpfen zwischen den verschiedenen Nationalitäten waltete Brukenthal im Namen der Gerechtigkeit und ging selbst gegen die Sachsen streng vor.
Das Geburtshaus Brukenthals in Leschkirch. Foto: Sibiu 100
Der Bauernaufstand von 1784, geführt von Horia, Cloşca und Crişan, wies erneut auf die feudalen Klassengegensätze hin. Brukenthal hat die Ursache dieses Bauernaufstandes richtig erkannt und hat oft auf die missliche Lage der siebenbürgischen Leibeigenen hingewiesen. Er selbst gibt an, dass die von Wien vorgesehenen, zum Teil von ihm selbst ausgearbeiteten Sozialmassnahmen viel zu spät ins Auge gefasst worden sind. Brukenthal hätte durch energisches Eingreifen die Lage der Bauern zum Teil erleichtern können. Nach Ausbruch des Aufstandes versuchte er erfolglos, diese „unglückseligen Menschen", wie er sie nannte, dem Adelsgericht zu entziehen. Die schon gefährdete Lage, in der er sich befand, zwang Brukenthal, die von Josef II. befohlenen Massnahmen durchzuführen. Die späteren durchgreifenden Reformen Josefs II. verstärkten hingegen das Misstrauen zwischen Kaiser und Gubernator.Die neue Verwaltungsreform war schliesslich Ursache für die Amtsenthebung Brukenthals. So wie Brukenthal den Anfechtungen von allen Seiten nicht gewachsen war, musste auch Josef II. seine Reformen später widerrufen. Chronologisch stand Brukenthals Tätigkeit am Ausgang des Mittelalters. Sowohl Josef II. als auch sein Gubernator haben eine moderne Zeit vorausgeahnt, dabei aber auseinandergehende Meinungen vertreten. Während Josef II., kurz vor der Französischen Revolution, die progressiven Kräfte aller in seinem Reich lebenden Völker im Hinblick auf die Bildung eines zentralisierten Staates förderte, vertrat Brukenthal, trotz seiner Aversion gegen Ungerechtigkeiten aller Art - die auf seine aufklärerisch-humaniti schen Ideen zurückzuführen ist - die rechtliche Absonderung der Siebenbürger Sachsen. Diese Einstellung war jedoch von den historischen Gegebenheiten bereits überholt.
In Siebenbürgen selbst hat die „Şcoala Ardeleană" als soziale Strömung für die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Gleichberechtigung der Rumänen mit den ständischen Nationen mehr geleistet als Kaiser und Gubernator. Der noch zu Brukenthals Lebzeiten redigierte „Supplex libellus Valachorum" (1791) blieb zwar nur ein theoretisches Programm, half aber um die Jahrhundertwende einer neuen Generation, die im 18.
Jahrhundert noch nicht zu lösenden Fragen besser zu verstehen.
Von den Ideen der Aufklärung beseelt, widmete sich Samuel von Brukenthal Zeit seines Lebens verschiedenen Zweigen der Wissenschaft und der Kunst. Seiner Sammlertätigkeit verdankt das nach ihm benannte Museum seinen Grundstock. Ein Teil der Privatsammlungen Bruken-
thals, hauptsächlich Gemälde und Bücher, erwarb Brukenthal selbst oder durch Vermittler und Kunstverständige aus Wien, einen anderen Teil erwarb er in Siebenbürgen. Vor seinem Tod vermachte Brukenthal sämtliche Kunstschätze sowie die Bibliothek dem Hermannstädter Gymnasium.
Außer Bildern, Büchern und Handschriften umfassten die Sammlungen Brukenthals auch eine grosse Anzahl von Mineral- und Gesteinsproben aus Siebenbürgen, eine Porzellansammlung, archäologische Funde aus der Zeit des römischen Dakien - wie Gemmen und Kameen -, die Münzsammlung mit wertvollen antiken und mittelalterlichen Münzen. Das Brukenthalpalais, das Mitte der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts fertig stand, ist eines der bedeutendsten Barockbauten Südosteuropas. Das Brukenthalmuseum, das - entsprechend dem Wunsche des Gubernators -jedem den Zutritt ermöglicht, ist eine bedeutende Kulturstätte Rumäniens geworden, wo die Bereicherung der Sammlungen und die wissenschaftliche Forschung mit viel Eifer betrieben werden.
Nach 250 Jahren bleibt Brukenthal ein bedeutender Politiker und Staatsmann Siebenbürgens. Samuel von Brukenthal hat die Geschichte der Völker Siebenbürgens mehr als ein Jahrzehnt lang wesentlich mitbestimmt. ,,Kein Gesetz gebietet, dass die Stände – die Gesellschaft, welche zwischen dem König und dem Volk steht – aus Prinzen, Graffen und Baronen bestehen soll. Nach Verschiedenheit der Grund-Verfassung kann diese Gesellschaft aus den ansehnlichsten Männern freyer Gemeinschaften oder Städte bestehen." Die immer wiederkehrende Bezugnahme auf die „geläuterte Vernunft" als Definition der Aufklärung, zu der er sich dadurch ansehnlichsten Männern freyer Gemeinschaften oder Städte bestehen.“ Die immer wiederkehrende Bezugnahme auf die „geläuterte Vernunft“ als Definition der Aufklärung, zu der er sich dadurch bekennt, bringt auch dem Landesfürsten Pflichten, denn „wenn die Vorgesetzten sich alles erlauben, wozu sie Macht und Gewalt besitzen, so ahmen die Untergebenen ihrem Beispiel willig nach“.
Thomas NÄGLER
( von Beatrice Ungar in der Hermanstädter Zeitung vom 16.7.2021 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung der Autorin∧ nach oben„Et äs mer griuß Frout“
Auf Baron Samuel von Brukenthals Spuren im Harbachtal und in Freck
Dr. Hans-Bruno Fröhlich (Bildmitte) bei der Andacht. Musik aus Brukenthals Zeiten bot das Collegium
Musicum Brukenthal – Gabriel Silișteanu (1. v. l.), Iuliana Cotârlea (2. v. l.), Jürg Leutert (2. v. r.), Brita Falch, Leutert (1. v. r.) und Elisa Gunesch (nicht im Bild) – nicht nur in Leschkirch sondern auch in Holzmengen, Freck usw. Eine Zusammenfassung der Konzerte finden Sie unter https://www.youtube-nocookie.com/embed/uEhtnsc6d9s Foto: B. UNGAR
Die Teilnehmenden waren alle sehr begeistert, wie reibungslos alles geklappt hat und wie gut die Stimmung aber auch das kulturelle Angebot auf der Reise auf Brukenthals Spuren war, in Leschkirch, Alzen (Herkunftsort der Familie Breckner), Holzmengen (Ausstrahlung des spätbarocken „Brukenthal-Stils“ in der Kirche, wo Sartorius, Vater und Sohn, gelebt haben) und Freck“, resümierte Unterstaatssekretär Thomas Sindilariu gegenüber der Hermannstädter Zeitung den zweiten Tag der dem 300. Geburtstag von Brukenthal gewidmeten Veranstaltungen.
Law Brader och Siästern! Et ias bekunt, dat der Samuel vun Brukenthal Frängt och Gëst än senjer Muåtårspråch begruåsst hot (mär haven se net vil verstunden), ent am dåt wäll ech et uch esi hålden. Et äs mer griuß Frout, dat mer ze senjem 300. Geburtsdåchs ha en Leschkirch zesummen kun sen. Zeglech äs et får mech en hiu Īhr, dat ech än diëser Kirch, wå ech geduft och konfirmiert bian, diës Undocht hålden tierf.“ In der Leschkircher Variante der siebenbürgisch-sächsischen Mundart begrüßte der Schäßburger Dechant und Stadtpfarrer Dr. Hans-Bruno Fröhlich die Anwesenden in der evangelischen Kirche mit dem Hinweis, das habe auch Brukenthal immer getan. Als einziger anwesender gebürtiger Leschkircher überbrachte Fröhlich zunächst ein Grußwort von Walter Theiss, dem Vorsitzenden der Heimatortsgemeinschaft Leschkirch.
Der Andacht zugrunde lag ein Bibeltext aus 1. Samuel, Kapitel 3 und 20. Es sei zwar gewagt, eine Verbindung zwischen Israel im 11. Jh. v. Chr. und Siebenbürgen im 18. Jh. n. Chr. herzustellen, gab Fröhlich zu, er habe diese alttestamentliche Geschichte aber darum ausgewählt, ,,weil der Name SAMUEL Programm zu sein gestellt bekam – hätte wahrscheinlich auch der alttestamentliche Samuel geprägt, wenn er vor die Wahl gestellt worden wäre, zu Hause in Israel weiter sein Propheten- und Richteramt auszuüben, oder ein gut dotiertes administratives Amt, z. B. in Memphis zu bekommen.
Die unter dem Titel ,,Samuel von Brukenthal – ein früher Europäer“ stehende dreisprachige Tafelausstellung – deutsch, rumänisch, englisch – ist in der ehemaligen Brukenthalschen Sommerresidenz in Freck/Avrig fest verankert worden, wurde daselbst am 27. Juli eröffnet und wird hier auf Dauer zu besichtigen sein. Unser Bild: Hermannstadts Stadtpfarrer Kilian Dörr (Bildmitte) stellte den Anwesenden die Brukenthal-Stiftung vor, dessen Vorsitzender er seit 1999 ist. Foto: Marius BABOȘ/DRI
Wir gedenken hier am Geburtsort Samuel von Brukenthals, heute, 300 Jahre danach, in Dankbarkeit eines Menschen, der in schwerer Zeit sich mit Energie und Können eingebracht hat und mit Mut und Phantasie wichtige Entscheidungen für sein Volk getroffen hat. (…) Es ist für mich eine große Ehre, ein Landsmann des Samuel von Brukenthal zu sein.
In Leschkirch sei „neues Leben in alte Mauern“ eingezogen, hatte der Hermannstädter Dechant, Pfarrer Hans-Georg Junesch, in seinem Grußwort eingangs erklärt. Im ehemaligen evangelischen Pfarrhaus sei schon seit Jahren ein Pfadfinder-Zentrum untergebracht, wobei die Pfadfinder sich auch um die evangelische Kirche kümmern. Desgleichen sagte er, dass die Brukenthalfeier ,,ein willkommener Impuls für die Gemeinde“ sei. Dieser Aussage pflichtete der junge Bürgermeister Adrian Musoaie bei, der allen Anwesenden versicherte, er und die Leschkircher erwarteten sie jederzeit ,,mit offenen Armen“.
Beatrice UNGAR
( von Beatrice Ungar in der Hermanstädter Zeitung vom 6.8.2021 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung der Autorin∧ nach obenNeujahrsbotschaft 2022
Ihr Lieben!
An der Schwelle zum neuen Jahr halten wir inne. Wir geben das alte Jahr zurück in Gottes Hand und blicken einerseits erwartungsvoll, andererseits vielleicht aber auch etwas ängstlich dem Neuen entgegen. Das letzte Jahr war für die meisten unter uns reich an Herausforderungen. Wir leben jetzt bereits seit anderthalb Jahren in einem Zustand, der im Rumänischen den Namen „Alarmzustand“ trägt: „stare de alertă“. Aus der Geschichte oder auch aus Langzeitkrisengebieten wissen wir aber: wenn Notsituationen lange anhalten, dann gewöhnt man sich irgendwie daran, dann stumpft man ab oder man arrangiert sich irgendwie mit der Situation (wer erinnert sich dabei nicht daran, wie man sich im Kommunismus immer wieder mit unangenehmen Situationen „arrangieren“ musste?). Wir befinden uns also in einem Alarmzustand, in dem aber kaum noch jemand alarmiert ist, wiewohl die Situation ist keine rosige ist. Als ob die von außen auf uns hereingebrochene Krise nicht schon schlimm genug wäre, gibt es in unserem Land immer auch hausgemachte Krisen. Es ist müßig sich überhaupt noch die Frage zu stellen, was einen im kommenden Jahr mehr bedrücken könnte: die Pandemie oder die Politik? Die steigenden Preise oder der billige Populismus? Wie aktuell sind da die Worte des Psalmbeters: „Verlasst euch nicht auf Fürsten; sie sind Menschen, die können ja nicht helfen.“ (Psalm 146,3)
Eines sollten wir nicht vergessen: Krisen sind von IHM, dem allmächtigen und barmherzigen Gott zugelassen. Wichtig ist, dass wir die richtigen Lehren aus ihnen ziehen. Dann werden sie uns Gott näherbringen. In diesem Zusammenhang kommt uns die Jahreslosung für 2022 zu Hilfe: „Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ (Johannes 6,37). Diese Aussage hört sich wie ein Kontrapunkt dazu an, was in unserer Zeit allgemein angesagt und gefordert ist. Im aktuellen Kontext werden wir dazu angehalten, uns von anderen Menschen abzugrenzen, uns nur unter gewissen Bedingungen ihnen zu nähern. Im Gegenzug dazu sind wir bei Gott bedingungslos willkommen und angenommen. Die Art und Weise, wie Gott in unserm Leben wirkt, ist mannigfaltig. Gott hilft in der Regel mit und durch Menschen und deshalb ist es einerseits wichtig, jene die uns lieb und wert sind nicht aus dem Blick zu verlieren, andererseits ABER auch mit Nachsicht auf die anderen zu schauen, mit denen wir nicht so gut klarkommen. Es gilt hinter jedem Geschöpf den Schöpfer selber zu sehen.
Menschen, Dinge und Ereignisse um uns in einem geistlichen Kontext zu sehen, zu verstehen, einzuordnen ist wichtig und wesentlich. Das was wir jetzt erleben, führt uns – nicht nur in Gendanken, sondern ganz real – in den Kontext, in dem der Mensch sich immer schon befunden hat, nämlich in seiner Abhängigkeit von Gott. Nicht dass es mal anders gewesen wäre. Bloß ist der Mensch immer wieder der Einbildung erlegen, dass Wollen und Vollbringen in seiner Hand stünden. Die christliche Glaubenszuversicht gewinnt gerade in solchen Momenten wie diesen, die wir jetzt erleben, eine große Relevanz. Diese Glaubenszuversicht leitet sich von dem ab, was der neu gewählte griechisch-katholische Bischof von Klausenburg Claudiu-Lucian Pop in einem Interview kurz vor Weihnachten so formuliert nat: „Der Himmel wäre ein abstraktes Konzept, wenn er leer wäre. Für uns ist er aber nicht leer. Darum können wir über all das Häßliche in dieser Welt hinweg sehen.“
So wünsche ich uns allen, dass uns in dem Jahr das wie ein unbeschriebenes Blatt vor uns liegt, so viel Gottvertrauen zuteil werde, dass wir alle auf uns zukommenden Krisen meistern. Und ich lade dazu ein mit Psalm 121 zu beten:
Psalm 121:
1. Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. / Woher kommt mir Hilfe?
2. Meine Hilfe kommt vom Herrn, / der Himmel und Erde gemacht hat.
3. Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, / und der dich behütet, schläft nicht.
4. Siehe, der Hüter Israels / schläft noch schlummert nicht.
5. Der Herr behütet dich; / der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand,
6. dass dich des Tages die Sonne nicht steche / noch der Mond des Nachts.
7. Der Herr behüte dich vor allem Übel, / er behüte deine Seele.
8. Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang / von nun an bis in Ewigkeit!
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist!
Wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
(von Stadtpfarrer Dr. Hans Bruno Fröhlich, Siebenbürgische Zeitung vom 17.1.2022)
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autors∧ nach oben„So predigen wir..."
14. April 2022
Gedanken zum Auferstehungsfest
Der Ostergottesdienst „Von Daheim für Daheim" wird am Ostersonntag, dem 17. April, um 12 Uhr deutscher Zeit und 13 Uhr rumänischer Zeit als Videostream auf dem YouTube-Kanal des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, siebenbuergerde bzw. https://www.youtube-nocookie.com/embed/OXQ6d9OUzsw, gesendet. Aufgezeichnet wurde er in Schäßburg (Bergkirche und Klosterkirche). Daran beteiligt sind das „Trio Saxones" und Unterstützerinnen und Unterstützer (nicht nur) aus Schäßburg. Die Predigt hält der Schäßburger evangelische Stadtpfarrer und Bezirksdechant Dr. Hans Bruno Fröhlich. Unser Bild (v. 1. n. r.): Pfarrer Michael Reger, Pfarrer Alfred Dahinten, Klavierlehrerin Alexandra Pamfilie, Lehrerin Jutta Martini, Dechant und Stadtpfarrer Dr. Hans-Bruno Fröhlich und Pfarrer Dietrich Galter bei den Aufnahmen in der Bergkirche. Im Hintergrund steht der Meeburger Altar
(der Heiligen Ursula geweiht). Foto: Adrian PAMFILIE
„1.Ich erinnere euch an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht,
2.durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt.
3. Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für
unsre Sünden nach der Schrift;
4. und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift;
5. und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. (...)
11. So predigen wir und so habt ihr geglaubt." (1. Korinther 15,1-5.11)
Liebe Schwestern und Brüder,
Die Auferstehung Jesu Christi ist das Zentrum des christlichen Glaubens, das Kernstück unserer Botschaff. Damit sage ich Ihnen aber nichts Neues, sondern wiederhole nur, was am Osterfest in allen christlichen Kirchen verkündigt wird. Das, worauf unser Glaube gründet, ist in diesem Satzgefüge zusammengefasst: „Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Sehriff; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Sehriff; und dass er gesehen worden ist..." (1. Kor. 15,3)
Der Apostel Paulus schreibt an Menschen, die diesen Auferstehungsglauben angenommen hatten (sie waren vorher Heiden gewesen) und er bestärkt sie in diesem Glauben. An der Art und Weise der Formulierungen Erfahrung des Karfreitags unserem alltäglichen Erleben, unsererjahrelangen Erfahrung entspricht? Jene bittere Erfahrung, die auch Jesus am Kreuz machen musste, als er auf grausame Weise zu Tode gebracht wurde?
Grausames und sinnloses Sterben gab es zu allen Zeiten. Auch heute, zu dieser Stunde, gibt es dieses grausame und sinnlose Sterben, und das gar nicht weit weg von hier. Der Krieg in der Ukraine, aber auch alle anderen ähnlichen Schauplätze weltweit (die wir, weil sie weit entfernt sind kaum noch registrieren), führen uns Terror und Unterdrückung, Hunger und Armut, Leid und Not, als traurige Realität vor. Im Tod, vor allem in dieser Art von Tod, finden wir alle Hoffnungslosigkeit und alle Sinnlosigkeit dieser Welt in symbolischer Weise zusammengefasst. Und damit rückt Gott in weite Feme, wie ER auch durch das Karfreitagsgeschehen damals unendlich fern gerückt war. Durch sinnloses Leiden und Sterben - oder wegen diesem sinnlosen Leiden und Sterben - haben wir auch in dieser unseren Zeit immer wieder neu Mühe, ihn zu verstehen.
Doch das Übergewicht welches der Tod in dieser Welt zu haben scheint, wurde gerade dadurch gekippt, dass Jesus ihn selber in Kauf nahm. Das Unglaubliche und Unerhörte kommt am Ostermargen, nämlich die Botschaft, dass der tot Geglaubte lebendig gesehen worden ist! Paulus führt im 1. Korintherbrief eine ganze Liste von Personen auf, die ihm begegnet sind. Es ist klar und deutlich: Gott hat uns nicht im Stich gelassen. Gott hat in seinem Sohn Jesus Christus das Nötige und das Richtige getan. Das gilt auch für uns heute: Gott liebt uns und wir dürfen darauf unser Vertrauen setzen, dass dies auch so bleiben wird. Dafür gibt es keine rationale, keine logisch nachvollziehbare Erklärung, wie man überhaupt Liebe nicht erklären kann. Erst indem man sie annimmt, bzw. akzeptiert, begreift man sie auch.
„So predigen wir und so habt ihr geglaubt." (1. Kor. 15,11) Diesen Auferstehungsglauben, der auch uns ein Gefühl tiefster Zufriedenheit und größter Freude bescheren kann, wünsche ich uns allen.
Ein frohes und gesegnetes Osterfest wünsche ich uns allen! Särbätori pascale binecuvantate - Hristos a inviatl
Kellemes Hüsveti Ünnepeket kivanok mindenkinek. Amen.
Dechant Stadtpfarrer
Dr. Hans-Bruno FRÖHLICH
Schäßburg
( von Dr. Hans-Bruno FRÖHLICH in der Hermanstädter Zeitung vom 14.4.2022 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autors∧ nach obenDen Beobachterposten verlassen
Streiflichter von den Deutschen Kulturtagen 2022 in Schäßburg
2. Juni 2022
Aufmarsch auf dem Burgplatz: Zu den Klängen der Kapelle „Schäßburg Brass“ marschierten die fünf Tanzgruppen in Begleitung des Herolds der Stadt auf den Burgplatz, wo sie einen Aufmarsch zeigten und anschließend Tänze aufführten. Foto: Beatrice UNGAR
724 Jahre nach der 1298 ersten urkundlichen Erwähnung der Klosterkirche in Schäßburg begann mit deren Wiedereinweihung das Programm des zweiten Tages der diesjährigen Deutschen Kulturtage in Schäßburg, die unter dem Motto „500 Jahre Bergschule Schäßburg“ standen. Die Wiedereinweihungshandlung nahmen Bischof Reinhart Guib gemeinsam mit Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli und dem Schäßburger Pfarrer Johannes Halmen vor, nachdem Stadtpfarrer und Dechant Dr. Hans Bruno Fröhlich die Gottesdienstbesucher begrüßt hatte.
In seiner Predigt zu Lukas 1-10 forderte Bischof Reinhart Guib alle auf, den Beobachtungsposten zu verlassen und den Schatz der Gemeinschaft und die Freude des Teilens zu erkennen, wünschte allen, in Anlehung an die Geschichte mit Zachäus, „einen Maulbeerbaum, also Kreativität und Fantasie, Engagement und Fleiß“, welche die Schäßburger evangelische Kirchengemeinde immer aufs Neue beweise. Er beglückwünschte sie dafür, dass sie es verstehe, „geordnet kleiner zu werden“.
Im Anschluss an den Gottesdienst berichtete Stadtpfarrer und Dechant Dr. Hans Bruno Fröhlich, der übrigens seit 25 Jahren in Schäßburg als Seelsorger tätig ist, über die Renovierungsarbeiten und lud die Ehrengäste ein, ihre Grußworte zu sprechen. Der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganț gratulierte zur erfolgreichen Renovierung der Klosterkirche und zu dem „landesweit besonderen“ Jubiläum der Bergschule. Den Glückwünschen schlossen sich die Botschafterin Österreichs I. E. Adelheid Folie, die Deutsche Konsulin I. E. Kerstin Ursula Jahn, Unterstaatssekretär Thomas Șindilariu und Bürgermeister Iulian Sârbu an.
Gedenktafel: Lehrerin Karola Fröhlich (links) und Stefan Gorczyca, der Vorsitzende des Zentrumsforums Schäßburg, bei der Präsentation der Gedenktafel für den Volkskundler, Pädagogen und Pfarrer Joseph Haltrich, dessen Namen die Bergschule seit genau 50 Jahren trägt und dessen 200. Geburtstag am 22. Juli d.J. begangen wird, vor dem Haus Nr. 13 am Hermann Oberth Platz. Foto: Beatrice UNGAR
Zuletzt kam die Architektin Aurora Târșoagă zu Wort, die die Außenrenovierung der Klosterkirche koordiniert hat. Die Anwesenden konnten mehr davon erfahren in der eigens dafür zusammengestellten Ausstellung im Seitenschiff, wo auch die diesen Arbeiten gewidmete Sonderausgabe des Gemeindebriefs auflag.senden konnten mehr davon erfahren in der eigens dafür zusammengestellten Ausstellung im Seitenschiff, wo auch die diesen Arbeiten gewidmete Sonderausgabe des Gemeindebriefs auflag.
Ganz im Sinne des Mottos der Deutschen Kulturtage hielt Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli seinen Vortrag „Einfach gehen … Bleibende Spuren aus der Zeit an der Bergschule“ am Samstagnachmittag. Für das Referat im Rathaussaal hatte Zikeli, selbst Absolvent der Bergschule, seinen Jahrgängerinnen und Jahrgängern, die ihr Abitur 1990 ablegten, sowie den Abiturientinnen und Abiturienten von 1991 sieben Fragen gestellt. Der gebürtige Schäßburger erklärte: „Die vier Jahre an der Bergschule sind nicht spurlos an uns vorbei gegangen. Diesen Spuren wollte ich folgen.“
Gelebte Ökumene: Den Schlusssegen im Wiedereinweihungsgottesdienst am 28. Mai sprachen die Vertreter aller christlichen Konfessionen gemeinsam. Foto: Beatrice UNGAR
Die beiden befragten Abiturjahre seien von Umbruch, Ungewissheit und dem Entscheid zwischen dem Bleiben und dem Gehen geprägt gewesen. „Die Deutschen Klassen lösten sich auf“, blickte er zurück. Während in vorherigen Jahren zwei 72- köpfige Klassen die Abiturprüfungen antraten, seien es in seinem Jahrgang noch neun Schülerinnen und Schüler gewesen. Auch die Lehrer sind laut Zikeli zahlreich ausgewandert. „Wir waren fast jede Woche am Bahnhof.“
Die Umfrage, die Zikeli anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums des Abiturs verschickte, umfasste beispielsweise die Frage nach fünf Worten zur Schulzeit oder besonderen Erlebnissen, aber auch nach der Ideologiekonformität der Lehrpersonen und einer Beschreibung des Bergschulgeists. Zu letzterem, der kaum zu beschreiben sei, konstatierte Zikeli: „Der Geist der Bergschule ist in uns allen aus der Schülerschaft.“ Er zog den Vergleich zu einem Brandzeichen, was die prägende Natur der Schulzeit illustrierte.
Die Klosterkirche wurde 1298 erstmals urkundlich erwähnt und erstrahlt nun nach einer eingehenden Renovierung der Fassade und des Dachstuhls in neuem Glanz. Foto: Beatrice UNGAR
Zikeli fügte hinzu, dass die Tatsache, dass nur wenige der ehemaligen Bergschülerinnen und -schüler die Fragen beantwortet haben, einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt. Die Schulerlebnisse seien zwar noch präsent, doch die bewusste Verarbeitung fehle. „Die Reflexion würde auch Geister wachrufen, die man vergraben will.“ Die Bergschuljahre bezeichnete der Vortragende als archetypisch eingeprägtes Erlebnis, dass viele zu konservieren suchen. Diese Geborgenheit würde durch das Reflektieren gestört werden. Im Anschluss zum Vortrag kamen Fragen und Wortmeldungen aus dem Publikum an die Reihe.
Nach einer kurzen Pause starteten die Zuhörerinnen und Zuhörer gestärkt durch köstliche Plätzchen und Kaffee in den nächsten Programmpunkt: die Buchvorstellung, Lesung und Gesprächsrunde zu „Diesseits und jenseits des Tunnels 1945“ von Dr. Mariana Gorczyca. Zu Beginn wies die Autorin darauf hin, dass der besagte Tunnel ganz in der Nähe sei und wohl von den meisten per Bahn angereisten Gästen passiert wurde.
Andrea Rost begrüßt Bischfosvikar Dr. Daniel Zikeli im Rathaussaal. Foto: Beatrice UNGAR
Gemeinsam und in Rumänisch sowie Deutsch sprachen Autorin Gorczyca und Übersetzerin Beatrice Ungar über den 2020 im Honterus-Verlag erschienenen Roman, der sich mit der Deportation eines Schäßburger Sachsen nach Stalino in der Sowjetunion und seiner in der Stadt verbliebenen Geliebten beschäftigt. „Stalino symbolisiert alle Lager“, fügte Gorczyca hinzu. In beiden Sprachen lasen die Referentinnen aus Kapitel 24, das in der Schäßburger Bergschule – genauer gesagt dem dortigen Lehrerzimmer – spielt.
Neben den Kopien des vor zwei Jahren erschienenen Buchs fanden sich auf dem Podium im Rathaussaal auch Ausgaben von Gorczycas neuestem Werk, das Anfang dieses Jahres im Școala Ardeleană-Verlag in rumänischer Sprache erschien. Unter dem Titel „Rubla, locul fără umbră“ (zu deutsch: Rubla, der Ort ohne Schatten) schreibt sie darin über das Dorf Rubla in der Bărăgan-Steppe, wohin ab 1951 mehr als 40.000 Menschen verschiedener Ethnien – unter anderem serbischer, mazedonischer oder türkischer Herkunft – verschleppt wurden. Darunter waren zudem etwa 10.000 Rumäniendeutsche, hauptsächlich Banater Schwaben.
Mariana Gorcyzca, MP Ovidiu Ganț, und Beatrice Ungar (v. l. n. r.). Foto: Privat
Rubla sei eines von vielen Dörfern in der Steppe, die aus dem Nichts gestampft wurden. Gorczyca erklärte dem Publikum: „Heute steht dort noch ein einziges Haus, das von einem Überlebenden bewohnt wird.“ Die Autorin meinte, sie fühle sich verpflichtet, dieser historischen Begebenheit Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
„Das Ziel wäre eine Gedenkstätte, damit man sieht, was war und was ist.“ Weiter fügte Gorczyca hinzu: „Es ist mir wichtig, schwierige Situationen auch im Licht zu sehen.“ Ihr Roman sei dahingehend Roberto Benignis Film „La vita è bella“ (zu deutsch: Das Leben ist schön), der in einem Konzentrationslager spielt, ähnlich.
In der anschließenden Gesprächsrunde erzählten Mitglieder des Publikums aus ihren eigenen Erfahrungen, beispielsweise dass die Eltern ihnen spät oder gar nicht von ihrer Verschleppung erzählten. Auch erklang Dank dafür, dass Gorczyca sich der Thematik angenommen hat. Gorczyca bedankte sich ihrerseits bei Übersetzerin Beatrice Ungar, die ihren Roman über die Deportation in die Sowjetunion einem breiteren deutschen Publikum zugänglich gemacht hatte. Auch eine deutsche Übersetzung ihres neusten Buchs stellte sie in Aussicht.
Die Architektin Aurora Târșoagă koordinierte die Arbeiten. Foto: Beatrice UNGAR
Aus Bremen angereist war Pfarrer Manfred Meyer, der im ersten Gottesdienst am Sonntag nach der Wiedereinweihung in seiner Predigt zu Jeremia darauf hinwies, was ein Bund bedeutet für ,,uns vielseitig bedrohte Lebewesen“. Während ,,das Volk“ lieber mit selbstgemachten Fantasien und anderen Göttern ,,kuschelte“, bleibt Gott seinem Bund treu, ganz nach dem Motto : ,,Treu sein zeigt sich, wenn alles schiefläuft.“ Pfarrer Mayer schloss mit den Worten: ,,Freiheit ist ja nicht Gesetzlosigkeit oder rücksichtsloser Egoismus. Freiwillige Abhängigkeit ist der schönste Zustand und wie wäre das möglich ohne Liebe?“
Viel Liebe zur Tradition und zur Geselligkeit bewiesen dann bei dem vorgezogenen Aufmarsch und der Tanzdarbietung auf dem Burgplatz die Schäßburger Tanzgruppe und ihre aus Mühlbach, Sächsisch-Regen und Hermannstadt angereisten Kolleginnen und Kollegen. Moderatorin war auch diesmal die unermüdliche Andrea Rost, die zwischen Gottesdienst und Aufmarsch eine Stadtführung eingelegt hatte.
Bewundernswert.
Bewundernswert auch die Initiative des Bergschulvereins Schäßburg, der Gymnasium Joseph-Haltrich Gymnasiums und des Vereins Bergschule Schäßburg e. V. München schon am nächsten Wochenende, vom 10. bis 12 Juni d. J., das 7. Bergschul- Symposium zum Thema ,,QUO VADIS, Bergschule?!“ zu veranstalten. Zur offenen Aussprache werden Inspektorat, Direktion, Professoren, Schulsprecher, Elternbeiräte, Vertreter der Bergschulvereine und Sponsoren aufgefordert. Zweck und Ziel dieser Zusammenkunft ist die perspektivische Entwicklung und Neuorientierung der Bergschule. Nähere Auskünfte zum Programm bietet Günther Czernetzky unter 0049 179-11.76.456 oder E-Mail g.czernetzky@gmail.com
Die Bergschule steht auch im September und im Oktober im Fokus von Veranstaltungen. Hier soll auch der Siebenbürgische Lehrertag stattfinden. Die Schäßburger sind also weiterhin gefordert, Fantasie und Fleiß an den Tag zu legen.
Carla HONOLD
Beatrice UNGAR
( von Beatrice Ungar in der Hermanstädter Zeitung vom 2.6.2022 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung der Autorin∧ nach obenVon Hirsekörnern und Maulbeerbäumen...
Deutsche Kulturtage Schäßburg im Zeichen der Bergschule und Klosterkirche
4. Juni 2022
Was haben der Raketenforscher Hermann Oberth, der Regisseur Günter Czernetzky, der Kunsthistoriker und Denkmalschützer Christoph Machat oder der Bukarester Stadtpfarrer und Bischofsvikar Daniel Zikeli gemeinsam? Untereinander – und mit vielen weiteren Anwesenden, etwa den kleinen Trachtenträgern und Flötenspielern, Viertklässler, die auf der Bühne ein lustiges Theaterstück aufführen: „Das Hirsekorn“, ein sächsisches Volksmärchen, in dem der Protagonist von einem vermeintlichen Unglück ins andere stolpert und unversehens immer reicher wird: erst hat er nur ein Hirsekorn, dann einen Hahn, ein Schwein, eine Kuh, zum Schluss ein Pferd... was für ein Glückspilz! Herzliches Gelächter, als eine riesige Pappkarton-Kuh den ehrwürdigen Rathaussaal „betritt“. Kameras blitzen. Und aus fast allen Ecken hört man jemanden flüstern: Ja, ich war auch einer von ihnen!
Gleich wird das Tanzbein auf dem Burgplatz geschwungen...
„Gibt es ihn immer noch, den Geist, der die Bergschüler verbindet?“, fragt Zikeli in seinem Vortrag, für den er sogar unter ehemaligen Klassenkameraden eine Umfrage gestartet hat. 500 Jahre Bergschule – „seit ihrer Dokumentation, in Wirklichkeit ist sie viel älter“, betont Czernetzky – sind ein würdiges Motto für die diesjährigen Deutschen Kulturtage in Schäßburg/Sighișoara vom 27. bis 29. Mai. Dieses ergänzt ein weiterer Anlass zum Feiern: Die Wiedereinweihung der frisch restaurierten dominikanischen Klosterkirche.
Es heißt Schulberg, nicht Kirchberg!
Jedes Jahr locken die Deutschen Kulturtage, organisiert vom Schäßburger Zentrumsforum, noch mehr Gäste in die als UNESCO-Weltkulturerbe Rumäniens ohnehin gut besuchte Festung. Nicht nur Bergschüler erklimmen schwitzend die 178 Stufen der 1642 erbauten überdachten Schülertreppe, lassen sich auf den altmodischen Holzbänken des extra hierfür eingerichteten Museumsraums nieder, bestaunen Reptilien in Spiritus, seltsame, altmodische Messinstrumente, Bücher, Karten und Dokumente, zusammengesammelt aus Spenden jener, die hier vor langer Zeit die Schulbank drückten. Die Zeitzeugen, die die Geschichte dieser berühmten Schule mitgeschrieben haben, sind heute in alle Welt verstreut. Andrea Rost hat sie aufgespürt und angeschrieben, ihre Schäßburger Vorfahren waren das Aushängeschild, dann kamen Briefe und Päckchen, auch aus Übersee. „Bazele Darwinismului“ für die 11. Klasse oder „Lebenstag eines Menschenfreundes“ von Wilhelm Schäfer liegen jetzt auf den Bänken, in die sich der Abgeordnete Ovidu Ganț und DFDR-Vorsitzender Dr. Paul-Jürgen Porr zwängen, um wenigstens für eine Schnappschusslänge auch mal Bergschüler gewesen zu sein.
Bemerkenswert: Der Berg heißt Schulberg, nicht Kirchberg, obwohl die Bergkirche die Schule dort bei weitem überragt. So wichtig war den Siebenbürger Sachsen ihre Schule! Mit der Kirche war sie ohnehin untrennbar verbunden, wie schon Dr. Karl Scheerer, zuvor im Rathaussaal online zugeschaltet, in seinem Vortrag „Die Schäßburger Bergschule und ihre Ausstrahlung auf das siebenbürgische Geistesleben“ verriet. Und noch viel mehr Interessantes – etwa, dass die Schule schon lange vor ihrer ersten dokumentativen Erwähnung 1522 eine bedeutende Bildungseinrichtung gewesen sein muss. Denn allein zwischen 1445 und 1521 waren 95 Studenten aus Schäßburg an den Universitäten von Wien und Krakau eingeschrieben. Oder, dass kein geringerer als der Sachsenbischof Georg Daniel Teutsch den Namen „Haltrich Lyzeum“ für die Bergschule vorgeschlagen hatte, weil er Joseph Haltrich für den hingebungsvollsten „Diener“ dieser Bildungsanstalt hielt.
Erst Lehrer, dann Pfarrer
Die Karriere eines sächsischen Pfarrers begann immer als Lehrer. Auch der Namensgeber der Bergschule, Joseph Haltrich (1822-1886), geboren in Sächsisch-Regen/Reghin und als Kind nach Schäßburg gezogen, später passionierter Volkskundler und Märchensammler, der zeitlebens in freundschaftlicher Verbindung mit den Gebrüdern Grimm gestanden hatte, machte da keine Ausnahme: Erst Schüler, dann Lehrer , dann Direktor der Bergschule, und zuletzt vor der Pensionierung Pfarrer in Schaas/Șaeș. Seine am Sonntag feierlich enthüllte Gedenktafel zierte kurz das Haus, in dem er 1860 bis 1872 in Schäßburg wohnte, Hermann Oberth Gasse 13. Nach der Zeremonie musste sie wieder weichen, vorübergehend, die bürokratischen Formalitäten für ihr endgültiges Anbringen waren noch nicht erfüllt. Der Amtsschimmel wiehert. Die Forumsleute pflücken noch ein bisschen an der überschüssigen Goldfarbe der Inschrift herum. Haltrich hätte ganz sicher geschmunzelt, die von ihm wie Hirsekörner gesammelten Geschichten, darunter auch „Das Hirsekorn“, verraten feinen Humor. Den Teutsch übrigens bestätigt: So soll Haltrich einmal laut darüber nachgesonnen haben, wie die surreale Schönheit der Landschaft rings um die Bergschule wohl als Gehaltsbonus für seine Tätigkeit beziffert werden könne...
Vom Überwinden des Maulbeerbaums
Den zweiten Kulturtag läutet der Festgottesdienst zur Wiedereinweihung der evangelischen Klosterkirche nach der Außenrenovierung 2019 bis 2021 ein. Die Freude über das strahlendweiße, frisch gedeckte Gotteshaus trübt nur der Blick nach oben: eine Scheußlichkeit von Blitzableiter, der wie eine zweite Kirchturmspitze wirkt, wo gleich daneben der Stundturm zeigt, wie man es hätte besser machen können...
Der Stadttrommler verkündigt die Ankunft des Bischofs und wir lassen und hineintragen in die festliche Atmosphäre: Volle Kirchenbänke, Blumenbuketts, von der Empore Orgelbrausen und Blasmusik. Die Blicke schweifen abwechselnd zwischen Altar und Kanzel: Bischof Reinhart Guib, Daniel Zikeli, Stadtpfarrer Bruno Fröhlich, Pfarrer Johannes Halmen... Die Bank der Ehrengäste. Jeder und alles hat seinen Platz.
Ich finde den meinen unter einem blau-roten anatolischen Knüpfteppich aus dem 17. Jh., links die Gefallenen und Verschollenen der beiden Weltkriege, die nicht zurückgekehrten Russlanddeportierten, das kirchliche Gästebuch. Rechts die Presse, Kamera. Darüber scheinen die ätherisch bemalten Kassetten der Balustrade zu schweben. Zwei Jahrhunderte umfasst mein Blickfeld und lässt mich erschauern: Jede Ecke atmet Geschichte. Der Bischof besteigt die Kanzel. „Wohin sind wir unterwegs?“ fragt die Stimme aus der Höhe und man hätte keine andere Frage stellen können in diesem Augenblick. Schon fährt er fort: Vom „neugierigen Suchen und Hören“ auf diesem Weg. Vom Heraustreten aus der Beobachterposition. Vom Überwinden der Hindernisse, die wie der Maulbeerbaum im Gleichnis von Zachäus vor uns aufragen: Sorgen, Krieg, politische und finanzielle Krisen, das Älterwerden und das Kleinerwerden der Gemeinschaft... Zachäus ist auf den Baum gestiegen – und sein Leben hat sich verändert. „Mit Mut, Kreativität, Energie, Phantasie“ können Hindernisse überwunden werden, sagt Bischof Guib. Und: „Das Leben ist ein Unterwegssein. Wir kommen erst weiter, wenn wir den Beobachterposten aufgeben und zu Weggefährten werden.“
Gedanken mit auf den Weg geben auch die österreichische Botschafterin Adelheid Folie, die Konsulin in Hermannstadt/Sibiu, Ursula Jahn, Unterstaatssekretär Thomas Șindilariu, der Bürgermeister und die Chefarchitektin der Restauration, bis beim anschließenden Besuch der Fotoausstellung zu den Restaurationsarbeiten das Thema „Blitzableiter“ wieder einschlägt. Bloß ein kleines Hirsekorn - oder Maulbeerbaum?
Bleibende Spuren
Immer wieder kommen wir zurück zum Hirsekörnersammler, Joseph Haltrich, und seiner Bergschule. Und zu Maulbeerbäumen verschiedenster Art, die sich auf dem Weg durch die Zeiten aufbäumten: Deportation der Schäßburger ins Lager Stalino im Donbass oder in die Steppe des Bărăgan, zwei Bücher zu diesem Thema hat Dr. Mariana Gorcyzca in Romanform geschrieben. Zusammen mit Übersetzerin Beatrice Ungar präsentiert sie „Diesseits und jenseits des Tunnels 1945“. Auch darin geht es um die Bergschule.
Einblicke in die Schule zur Zeit des Kommunismus und die demografischen Entwicklungen liefert Claudiu Pop.
Ein lebhaftes, weil selbst erlebtes Stimmungsbild aus den Wendejahren zeichnet Daniel Zikeli in seinem Vortrag „Einfach gehen... Bleibende Spuren aus der Zeit der Bergschule“: Von Gedichte rezitierenden Schülern, die das Schulgebäude umrunden wie Goethes Zauberlehrling. Von Streichen und Aprilscherzen, Schulfesten und Blaskapelle, Freundschaften, auch mit Schülern aus anderen Landesteilen, die der Ruf der Bergschule anschwemmte, von Internat und Heimweh und den Liebespärchen, die sich auf dem nahen Friedhof versteckten. Von besonderen Lehrern, die trotz ihrer oft seltsamen Macken für die Schüler äußerst prägend waren. Und den Lehrplan mutig umschifften: statt Ideologie erzählte man schon auch mal über das englische Königshaus... Schmerzhaft dann die Zeit nach Erlangen der köstlichen Freiheit, die den Exodus der Sachsen einleitete und die Schule an Schülern und Lehrern ausblutete. Der Euphorie der Weihnachtsferien 1989 folgte 1990 das Zittern, welche Klassen nach den Sommerferien noch zustande kommen würden...
Tiefenpsychologie
30 Jahre ist das alles nun her. Vor seinem anstehenden 30-jährigen Klassentreffen schickte Zikeli seinen Kommilitonen sieben Fragen: „Nenne fünf Wörter, die dich an deine Schulzeit erinnern“, oder „Was weißt du noch vom letzten Schultag?“, „Gibt es einen Geist der Bergschule, der bis heute wirkt?“ Er war enttäuscht über die geringe Beteiligung, wo man doch bei früheren Treffen durchaus Erinnerungen pflegte. Doch die Verweigerung der Antwort habe tiefenpsychologische Bedeutung, interpretierte Zikeli nach Jung: „Die archetypalen Jahre in der Bergschule sind zum Urbild geworden, das man nicht hinterfragen und nicht preisgeben will.“ Das bewusste Aufwühlen würde diese tiefe Geborgenheit stören. Ist das nun ein Hirsekorn – oder ein Maulbeerbaum? „Die Schulzeit war für uns ein Teil von Eden!“, präzisiert Zikeli. „Und wer möchte das Paradies nicht aufbewahren?“
Nina MAY
Für eine Schnappschusslänge einmal Bergschüler sein – das lassen sich auch der Abgeordnete Ovidiu Ganț und DFDR-Vorsitzender Paul-Jürgen Porr nicht entgehen.
Übersetzerin Beatrice Ungar und Autorin Mariana Gorczyca präsentieren ihr Buch „Diesseits und jenseits des Tunnels 1945“ über die Deportation in den Donbass.
Einen „Maulbeerbaum“ zu überwinden galt es bei der Restaurierung der über 700 Jahre alten evangelischen Klosterkirche, die sich nicht so einfach wie anfangs gedacht darstellte.
Am Trachtenumzug nahmen Gruppen aus Schäßburg, Sächsisch-Regen, Hermannstadt, Mühlbach und die Blaskapelle Schäßburg Brass teil.
Fotos: George Dumitriu
( von Nina May in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien vom 4.6.2022 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung der Autorin∧ nach obenEinander hören, miteinander feiern, gemeinsam beten
Fulminanter Abschluss der Ökumenischen Gebetswoche in Schäßburg
23. Juni 2022
Bei der Begrüßung am 18. Juni in der Klosterkirche (v. l. n. r.): László-Csaba Jenei (unitarischer Pfarrer in Schäßburg), Petru Bleahu (orthodoxer Pfarrer an der Hauptkirche in Schäßburg, vertrat Erzbischof Irineu von Alba Iulia); Ciprian Suciu (griechisch-katholischer Pfarrer, persönlicher Referent des Weihbischofs), Septimiu Nicula (griechisch-katholischer Dechant von Mediasch/Elisabethstadt), Weihbischof Cristian Crişan (griechisch-katholisch, Blasendorf), Bischofsvikar István Koszta (ungarisch-lutherisch, Kronstadt), Bischofsvikar László Szegedi (reformierter, Kronstadt), Dechant István Bíró (reformierter Pfarrer von Schäßburg), Bischof Reinhart Guib, Dechant Sándór Szentgyörgyi (unitarisch, Dechant von Sankt Martin), Dechant Hans-Bruno Fröhlich, Pfarrer Ciprian Dărăban (griechisch-katholisch, Schäßburg), Pfarrerin Angelika Beer (Malmkrog). Foto: Privat
Am Samstag, dem 18. Juni d. J. kam in der jüngst wiedereingeweihten evangelischen Klosterkirche die diesjährige Ökumenische Gebetswoche zu ihrem Höhepunkt. Seit 25 Jahren findet in Schäßburg die Ökumenische Gebetswoche statt – und zwar auch unter kontinuierlicher Beteiligung orthodoxer Geistlicher sowie der orthodoxen Kirchengemeinde vor Ort. Dass dieses Jubiläum, das einer Silberhochzeit gleichkommt, gefeiert werden konnte und auch noch in einer sehr herzlichen, zugewandten und freundschaftlichen Atmosphäre ist nicht zuletzt allen beteiligten Kirchen vor Ort zu verdanken, die in all den Jahren nicht nachgelassen haben, einander zu sehen und zu hören und miteinander zu beten.
In einer Zeit, in der die ökumenische Zusammenarbeit in vielen Bereichen in unserem Land und auch international leider auf Eis liegt und mancherorts ein „postkonfessionelles Zeitalter“ herbeigesehnt wird, haben es die sechs historischen Konfessionen Siebenbürgens in Schäßburg geschafft, in der jeweils eigenen Tradition zu bleiben und gleichzeitig das Gespräch und auch das Gebet miteinander kontinuierlich zu pflegen. So kann aus diesem Reichtum geschöpft werden und ökumenische Begegnungen sowie Bewegungen als stärkend erfahren werden. Geistliche der griechisch-katholischen Kirche, der orthodoxen Kirche, der römisch-katholischen Kirche, der unitarischen Kirche, der reformierten Kirche sowie der evangelisch-lutherischen Kirchen (ungarischsprachig und deutschsprachig) gestalteten die Ökumenische Gebetswoche, die in diesem Jahr nicht im Januar, sondern in der Woche nach dem orthodoxen und griechisch-katholischen Pfingstsonntag gefeiert wurde. In den vier anderen Konfessionen lag der Beginn der Gebetswoche nach dem Trinitatisfest, der Feier der Geselligkeit Gottes. Und es konnte keinen besseren Start in diese Jubiläums-Gebetswoche geben als das Pfingstfest und den Sonntag Trinitatis. Denn es war sowohl das Wirken und Wehen des Heiligen Geistes als auch Geselligkeit zu erleben.
Vor dem Abschlussgottesdienst in der vollen Klosterkirche stellte der Dechant des evangelischen Kirchenbezirks Schäßburg, Stadtpfarrer Dr. Hans-Bruno Fröhlich sein im Honterus-Verlag erschienene Buch ,,Spiritualitate ecumenică – Experiență transculturală – Conviețuire interetnică“ (Ökumenische Spiritualität – Transkulturelle Erfahrung – Interethnisches Zusammenleben) vor bzw. wurde es von der Gymnasiallehrerin für Rumänisch und Buchautorin Dr. Mariana Gorczyca und dem orthodoxen Pfarrer i. R. Adrian Dobre vorgestellt. Moderiert wurde die Buchvorstellung von Andrea Rost von Seiten des Demokratischen Forums der Deutschen in Schäßburg, das dankenswerterweise den Druck des Buches ermöglicht hat.
Im Gottesdienst selbst, der zwar zwei Stunden dauerte, aber in seiner Zusammensetzung von Musik und Wort, von Ungarisch, Rumänisch und Deutsch, mit drei Predigten, einem ausführlichen Gebet für alle Jugendlichen und Studierenden, die sich gerade in (Abschluss-)Prüfungen befinden sowie einem sinnreichen Gedicht von Adrian Dobre als Senior der 14 mitwirkenden Geistlichen ein roter Faden deutlich sichtbar wurde, war ein Fest.
Die Predigten von Bischof Reinhart Guib (evangelisch), Weihbischof Cristian Crişan (griechisch-katholisch) und Bischofsvikar László Szegedi (reformiert) nahmen Bezug auf das Unterwegssein im Glauben, auf die ungebrochene Bedeutung von ökumenischem Engagement sowie auf Pfingsten und der ersten Beschreibung der geisterfüllten Jünger Jesu als betrunken (Apostelgeschichte 2, 13: „Sie sind voll süßen Weins.“).
Nicht voll mit Wein, vielmehr voll mit Freude erfüllte sich die Klosterkirche und die Orte, von denen der Bischof, der Weihbischof sowie die Bischofsvikare angereist waren, und bildeten mit Hermannstadt, Blasendorf und Kronstadt ein Dreieck in Siebenbürgen und machten den Abend zu einem siebenbürgischen Segen.
Es ist zu wünschen, dass dieser Segen des stärkenden Miteinanders, des Hörens aufeinander und des Feierns miteinander weitergeht und Kreise in die Zukunft zieht.
Angelika BEER
( von Angelika Beer in der Hermanstädter Zeitung vom 23.6.2022 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung der Autorin∧ nach obenWichtig und richtig
Zum 200. Geburtstag von Joseph Haltrich
22. Juli 2022
Arthur Coulin: Joseph Haltrich.
Heute, am 22. Juli, erfüllen sich 200 Jahre seit der Geburt von Joseph Haltrich. Seit 1972, also seit 50 Jahren trägt die Bergschule seinen Namen. Lesen Sie im Folgenden den Kurzvortrag, den die Lehrerin Karola Fröhlich bei den diesjährgen Deutschen Kulturtagen in Schäßburg an der Gedenktafel gehalten hat, die an dem Haus Nr. 13 am Marktplatz/Pța Hermann Oberth, wo Haltrich gewohnt hat, angebracht werden soll.
Joseph Haltrich wurde in Sächsisch-Regen geboren. Nach dem Abschluss der Grundschule in seiner Heimatstadt kommt er im Jahr 1836 auf das Schäßburger Gymnasium, wo er öfters für seine guten Lernergebnisse ausgezeichnet wird. Er liebt die Literatur schon im Schulalter, liest viel und ist ein guter Erzähler. Im Jahre 1845 beendet er mit Auszeichnung das Gymnasium und bekommt ein Stipendium seitens der Evangelischen Kirche. Er geht für zwei Jahre auf die Universität nach Leipzig, wo er neben Theologie klassische und deutsche Philologie studiert, aber auch historische und philosophische Vorlesungen hört. Von Leipzig aus unternimmt er in den Ferien längere Reisen, u. a. auch nach Berlin; dies wird auf sein späteres Tun nachhaltigen Einfluss ausüben, da er in Kontakt mit Jacob Grimm kommt, aber auch mit dem Historiker Leopold von Ranke. Mit den Gebrüdern Grimm bleibt Haltrich auch nach seiner Rückkehr nach Siebenbürgen in enger Verbindung.
Nach einem kurzen Aufenthalt als Hauslehrer in Klausenburg im Jahr 1847, wird er 1848 an die Bergschule berufen und beginnt 1849 seine Lehrtätigkeit. Sein Hobby ist und bleibt aber die Volkskunde. Als Gründungsmitglied der Humboldt-Stiftung ist er ein erklärter Gegner des Mystizismus und versucht, gewisse Naturerscheinungen wissenschaftlich zu erklären. Haltrich ist ein Befürworter der Modernisierung des siebenbürgischen Schul- und Lehrwesens; in jener Zeit werden aufgrund eines neuen österreichischen Schulgesetzes (der sogenannte „Organisationsentwurf“ von 1850) die Gymnasien mit acht Klassen ins Leben gerufen, die die sechsjährigen Lateinschulen ablösten. Seine didaktisch-pädagogische Tätigkeit wird sowohl vom Lehrerkollegium als auch vom damaligen Rektor Georg Daniel Teutsch sehr geschätzt.
1869 wird Joseph Haltrich die Leitung der Bergschule aus Schäßburg übertragen. Als Rektor erfährt er Anerkennung durch das Lehrerkollegium, aber auch darüber hinaus in der damaligen Gesellschaft. Sein Rektorat fällt in die Zeit, in welcher das Schäßburger Gymnasium höchste Anerkennung über die Grenzen der Stadt Schäßburg hinaus in ganz Siebenbürgen genießt. Das lag vor allem an dem hoch gebildeten und motivierten Lehrerkollegium, aber nicht zuletzt auch an den Amtsvorgängern Haltrichs, die markante Gestalten der siebenbürgisch-sächsischen Kirchen- und Kulturgeschichte gewesen sind: Georg Paul Binder, Carl Goos, Georg Daniel Teutsch oder Friedrich Müller der Ältere.
Haltrichs Wirkungsfeld überschritt den Rahmen des Schäßburger Gymnasiums, aber auch die Grenzen der Stadt. Jahrelang war er Mitglied der Prüfungskommission für die Kandidaten der Theologie und des Lehramtes der Evangelischen Kirche A. B. Seit 1860 gehörte er dem Ausschuss des Vereins für siebenbürgische Landeskunde an. 1859 wurde er in den Gelehrtenausschuss des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg berufen.
Offenbar war dann aber die vakant gewordene Pfarrstelle in der Nachbargemeinde Schaas so reizvoll, dass Haltrich sie der anerkannten Rektorenstelle vorzog. Kirche und Schule waren zu jener Zeit eine Einheit, und eine klassische Laufbahn begann in der Regel als Lehrer und endete als Pfarrer. Nebenbei betrieb man seine Studien, wobei die siebenbürgisch-sächsischen Pfarrer sich mit allen möglichen wissenschaftlichen Disziplinen beschäftigt haben; im Falle von Haltrich war dies hauptsächlich das Sammeln der sächsischen Volksmärchen aus Siebenbürgen. Nach nur drei Jahren im Rektorenamt geht Haltrich im Jahr 1872 nach Schaas, wo er die letzten 14 Jahre seines Lebens verbringt und am 17. Mai 1886 verstirbt. Auch in Schaas ging Haltrich dem nach, was für ihn Aufgabe und Hobby zugleich war: der Volkskunde. Allerdings ist er nun nicht mehr in der Lage, die Fülle an gesammeltem Material selber zu publizieren und vertraut es seinem jüngeren Freund und Weggefährten Johann Wolff an. Bis heute bekannt sind die „Deutschen Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen“.
Es ist üblich an Geburtshäusern von Persönlichkeiten Gedenktafeln anzubringen. Das ist bei Haltrich leider nicht möglich, weil sein Elternhaus in Sächsisch-Regen in den Wirren der Revolution von 1848 bis auf die Grundmauern abbrannte und man heute nicht mehr genau weiß, wo es stand. Andererseits ist Haltrich schon als Schüler aus seiner Heimatstadt weggezogen und hat die meiste Zeit seines Lebens hier in Schäßburg verbracht.
( von Beatrice Ungar in der Hermanstädter Zeitung vom 22.7.2022 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung der Autorin∧ nach oben„Eine sinnvolle und gesegnete Arbeit“
Der 31. Siebenbürgische Lehrertag hat in Schäßburg stattgefunden
Gruppenbild vor der Bergschule.
Foto: Ruxandra STĂNESCU
Der 31. Siebenbürgische Lehrertag fand am 1. und 2. Oktober in Schäßburg statt. Thema der diesjährigen Veranstaltung war „Die deutschen Schulen in Siebenbürgen zwischen Tradition und Moderne”. Organisiert wurde der Lehrertag von der Schulkommission des Siebenbürgenforums, finanziert durch das Siebenbürgenforum, mit Unterstützung des Departements für interethnische Beziehungen der Rumänischen Regierung und des Landes Kärnten.
Rund 150 deutschsprachige Lehrerinnen und Lehrer – unter ihnen auch die 20 Organisatorinnen und Organisatoren – begrüßten sich freudig und laut vor der Klosterkirche in Schäßburg, wo am Samstagvormittag die Eröffnung des 31. Lehrertags stattfand. Zwar haben sich viele von ihnen auch im Vorjahr offline in Hermannstadt getroffen, doch nach einer restriktiven Pandemiezeit war bei vielen der Bedarf groß, sich wieder zu treffen, zu umarmen und auszutauschen. Und Schäßburg begrüßte sie mit einem strahlenden Oktobertag und zeigte sich von seiner besten Seite.
Nach der lauten Begrüßung begaben sich die Lehrerinnen und Lehrer in die Klosterkirche und ihren Schülern gleich mieden sie prompt, sich in die vorderen Reihen zu setzen und suchten sich lieber einen guten Platz in der Mitte.
Mit ein paar Tänzen vor der Klosterkirche wurden die Gäste des Lehrertags von der siebenbürgisch-sächsischen Volkstanzgruppe des Ortsforums Schässburg empfangen, die vielen Touristen waren auch begeistert. Foto: Ruxandra STĂNESCU
Begrüßt wurden die Gäste von Verona Onofrei, der Leiterin der Schulkommission, die auch die Ansprachen der Ehrengäste moderierte.
Dechant und Stadtpfarrer von Schäßburg Dr. Bruno Fröhlich eröffnete mit einem Gebet und einem geistlichen Impuls den Tag und wünschte den Teilnehmenden ein „hörendes Herz”. Das sei ,,mehr als nur die Aufnahme von Wissen, es ist die Freude an der Gemeinschaft mit anderen, es ist das Bewusstsein und die Verantwortung für die anvertrauten jungen Menschen und es ist auch der Trost, dass unser Schulsystem so ist, wie es ist. Diese Arbeit, die Sie hier tun, ist eine sinnvolle und von Gott gesegnete”.
Martin Bottesch, der Vorsitzende Siebenbürgenforums, ergriff das Wort und erklärte, dass das diesjährige Treffen in Schäßburg stattfindet, weil die Stadt dieses Jahr zwei wichtige Jubiläen feiert: 500 Jahre seit der Erwähnung einer Schule in Schäßburg – die Bergschule – und 200 Jahre seit der Geburt von Joseph Haltrich.
Begrüßt wurden in der Klosterkirche die Gäste des Weiteren von Thomas Șindilariu, Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Rumänischen Regierung, von Alexandra Tudor, Fachreferentin für Deutsch im Bildungsministerium, von Richter-Judt, Fachberaterin für Deutsch der Zentralstelle für das Auslandschulwesen, von Bogdan Burghelea, der Vizebürgermeister von Schäßburg, von Ovidiu Mălăncrăvean, der Leiter der Bergschule .
Thomas Șindilariu, Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Rumänischen Regierung bei seiner Festansprache in der Klosterkirche.Foto: Ruxandra STĂNESCU
Thomas Șindilariu hielt dieses Jahr die Festrede, um Impulse für die Gruppenarbeit zu geben. In seiner Rede stellte er einige Fragen zum heutigen Schulwesen und machte einen Exkurs in die Zeit von Albert Huet, da „der Blick in die Vergangenheit unsere Probleme der Gegenwart nicht lösen kann, aber Orientierung geben kann”. Albert Huet „war ein markanter Vertreter des siebenbürgischen Humanismus, der an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert es verstanden hatte, durch sein politisches aber auch sein rhetorisches Wirken, die rechtlichen, aber auch die schulischen Grundlagen der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft zu sichern.” Dann brachte der Unterstaatssekretär die Teilnehmer zurück in die Gegenwart mit der Frage, auf die jeder Teilnehmer seine eigene Antwort finden muss: „Schaffen wir es, unseren Schulkindern die unvergesslichen Gemeinschaftserlebnisse mitzugeben, die sich meist außerhalb des Unterrichts in der Schulklasse ereignen und die Sie wohl entscheidend dazu bewogen haben, Lehrer werden zu wollen?”
Nach der Festrede gab es für die Teilnehmer einen kurzen traditionellen Moment mit sächsischen Tänzen, die von der Tanzgruppe des Ortsforums Schäßburg vorbereitet worden waren. Danach ging es zu der Gruppenarbeit, die in der Bergschule stattfand.
Nach einer kurzen Verschnaufpause nach dem für die meisten Teilnehmern ungewöhnlich langen Aufstieg zur Bergschule und einer Stärkung bei Kaffee und Kuchen, gingen die Lehrer in eine der elf Gruppen, um zusammen verschiedene Themen zu besprechen, wie „Die deutschen Kindergärten in Siebenbürgen – zwischen Tradition und Gegenwart”, „Haltrichs Märchen – zeitgemäß?”, „Schule – Bildung für nachhaltige Entwicklung” und „Zusammenarbeit Schule – andere Institutionen”.
Dabei gab es nicht nur Arbeit, sondern auch ein geselliges Zusammensein – inklusive abends, um alte Freundschaften zu stärken und neue zu knüpfen.
Am Sonntag Vormittag wurde nach dem Gottesdienst eine Stadtführung angeboten, bevor die Teilnehmer die Ergebnisse ihrer Gruppenarbeit präsentierten.
Das Feedback der Teilnehmer sprach Bände, es gab eine allgemeine Begeisterung unter den Teilnehmern: „Ich muss dir gratulieren! Es war ein ganz gelungener Lehrertag! Alle haben gesagt, dass sie seit langer Zeit nicht mehr so viel Spass hatten!”, erklärte Alexandra Mihălțan, stellvertretende Schulleiterin des George Coșbuc- Gymnasiums aus Klausenburg. Begeistert waren auch die Gruppenleiter, unter ihnen auch Renate Klein, Schulbuchbeauftragte des DFDR: „Vielen herzlichen Dank allen, die organisiert haben. Es war eine wunderbare Erfahrung und eine gelungene Veranstaltung!”
Auch für die Organisatoren ist das Lehrertreffen sehr wichtig: „Das Lehrertreffen ist die Hauptveranstaltung der Schulkommission des Siebenbürgenforums”, erklärte Martin Bottesch, der auch sagte, dass die Wahl, in Schäßburg zu tagen, auch „Anlass gegeben hat, ein Thema zu wählen, das mit der Tradition der siebenbürgisch-sächsischen Schule in Zusammenhang steht.”
Schule ist für Schäßburg sehr wichtig, erklärte auch Vizebürgermeister Bogdan Burghelea: „Schäßburg war immer verbunden mit guter Ausbildung” erklärte er und das ist ein Beweis, dass die Stadt mehr als „Touristenkulisse ist, sondern auch Ereignisse mit Substanz” anbietet.
Das Siebenbürgenforum hat als Schwerpunkt seiner Tätigkeit den Erhalt des deutschsprachigen Unterrichts in Kindergärten und Schulen: „Das Siebenbürgenforum setzt sich auf politischer Ebene für die Bewahrung des deutschsprachigen Bildungssystems ein und fördert die Vernetzung der Lehrkräfte, beispielsweise durch die Organisation des jährlichen Siebenbürgischen Lehrertags. Im Rahmen des Forums ist die Schulkommission eine der aktivsten Einrichtungen.”
Näheres zu den Aktivitäten des Siebenbürgenforums sind unter siebenbuergenforum.ro zu finden, wo sicherlich rechtzeitig auch der 32. Lehrertag angekündigt werden wird.
Ruxandra STĂNESCU
( von Ruxandra Stănescu in der Hermanstädter Zeitung vom 6.10.2022 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung der Autorin∧ nach oben„Unsere Gegenwart zu erhellen“
„Lebenswege in Siebenbürgen“ von Altbischof D. Dr. Christoph Klein
24. November 2022
Buchvorstellung zum 85. Geburtstag: Das Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien hatte am Montag zur Präsentation des Buches „Lebenswege in Siebenbürgen. Festreden und Nachrufe“ von Bischof em. D. Dr. Christoph Klein eingeladen. Dabei gratulierten die Gäste auch D. Dr. Christoph Klein zum 85. Geburtstag. Zu Wort kamen Bischof Reinhart Guib, der DFDR-Vorsitzende Dr. Paul-Jürgen Porr, Konsulin Kerstin Ursula Jahn, Dr. Stefan Tobler vom Theologischen Institut, Landeskirchenkurator Friedrich Philippi.
Unser Bild: D. Dr. Christoph Klein (links) im Gespräch mit dem Schäßburger Dechant und Stadtpfarrer Dr. hans-Bruno Fröhlich, der das 2020 im Schiller-Verlag erschienene Buch vorgestellt hat.
Foto: Stefan BICHLER
Im Jahr 2015 veröffentlichte Altbischof D. Dr. Christoph Klein den Band „Geistliche Leitbilder und Weggefährten. Betrachtungen“ (Schiller Verlag Bonn-Hermannstadt), in dem er historische und zeitgenössische Personen und Persönlichkeiten würdigte, die für seinen Werdegang wichtig waren; ich hatte die Ehre, jenes Buch damals vorstellen zu dürfen. Die Herausgabe des zweiten Bandes „Siebenbürgische Erinnerungsorte in Lebensbildern“ (Schiller Verlag 2018) erwies sich aus seiner Sicht als nötig, damit auch die „Weltlichen“ gewürdigt werden sollten, da der erste Band sich ausschließlich auf Geistliche bzw. Theologen bezog. Nun kommt noch ein dritter Band dazu, der bereits 2020 erschien aber damals wegen den pandemiebedingten Einschränkungen nicht in einem solchen Rahmen präsentiert werden konnte: „Lebenswege in Siebenbürgen. Festreden und Nachrufe“ mit einem Geleitwort von Dr. Konrad Gündisch (das Geleitwort ist die Laudatio, die der Historiker Dr. Gündisch anlässlich der Verleihung des siebenbürgisch-sächsischen Kulturpreises an Altbischof Klein 2019 gehalten hatte). Hier geht es wiederum um zeitgenössische Persönlichkeiten Siebenbürgens, wobei im letzten Teil auch persönliche Rückblicke des Altbischofs aufgezeichnet sind.
Die Frage, was den Verfasser dazu bewegte, gleich eine Trilogie herauszugeben, meine ich in einer seiner wegweisenden Predigten beantwortet zu finden, die er – wo denn sonst als in Schäßburg? – gehalten hat. Im Mai des Jahres 1998 gedachten wir dort der 700-jährigen Wiederkehr der ersten urkundlichen Erwähnungen der Klosterkirche (dazu passt das von Musikwart Jürg Leutert vorbereitete Stück aus dem Schäßburger Antiphonar). In seiner damaligen Predigt – sie trägt die Überschrift „Erinnerung an die Zukunft“ (nachzulesen in seinem Predigtband „Kontrapunkt Freude“, hora Verlag Hermannstadt 2001, S. 156-161) – verwies der Bischof die Schäßburger Festgemeinde darauf, dass wenn Vergangenes in unsere Gegenwart hereingeholt wird „…dadurch unsere Gegenwart erhellt, unsere eigenen Probleme beleuchtet und unsere Träume und Wünsche genährt werden“. Aber Erinnerung hat bei weitem nicht nur den Sinn, Vergangenes wieder aufleben zu lassen. Erinnerungen sind vor allem darum wichtig, um für die Zukunft Ausrichtung zu finden. Erinnerung ist, so Bischof Klein folgendes: „Dann wäre Erinnerung … nicht nur ‘Gedenken‘ an frühere Zeiten, wie wir im Deutschen sagen, und auch nicht nur Vergegenwärtigung, Anamnese, wie es im Griechischen genannt wird, sondern es wäre ‚Erinnerung an die Zukunft‘, wie es das englische Wort re-member ausdrückt. Dann ‚er-innern‘, das heißt bewegen wir in unserem Inneren, dass bei einem solchen ‚Gedenken‘ die Glieder einer Gemeinschaft, die members, wieder zusammenkommen und dies somit eine Feier der ‚Wiedereingliederung‘ und Neukonstituierung der Gemeinschaft wäre.“
Christoph Klein: Lebenswege in Siebenbürgen. Festreden und Nachrufe, Reihe MISCELLANEA ECCLESIASTICA Band XXI. Veröffentlichungen des Zentralarchivs der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, Schiller Verlag Bonn-Hermannstadt 2020, 198 Seiten, ISBN 978-3-946954-71-2.
So haben Menschen aufgrund ihrer Begabung, ihres Einsatzes oder ihrer Fähigkeit des Mitreißens das Leben von Christoph Klein geprägt; das war wohl die Motivation zu diesen drei Publikationen. Und so werden aus „Bildern“ – „Leit-“ oder „Lebensbilder“, aus „Orten“ – „Erinnerungsorte“ oder „Orte zum Nachdenken“ und aus „Wegen“ – „Lebenswege“ oder „Weggefährten“. Wichtig und wesentlich ist, dass die Persönlichkeiten, die gewürdigt werden, nicht nur mit dem Autor freundschaftlich verbunden sind bzw. waren, sondern auch für die Gemeinschaft Bleibendes geleistet haben und deren Lebensweg somit vielen andern Menschen als Beispiel diente oder zur Inspirationsquelle wurde. Und so werden runde Geburtstage (insgesamt sind 10 Festreden abgedruckt), aber auch Nachrufe oder Gedenktage (ebenfalls 10 an der Zahl) zum Anlass genommen, der Jubilare oder der Verstorbenen dergestalt zu „er-innern“, dass aus solchem „‘Gedenken‘ die Glieder einer Gemeinschaft, die members, wieder zusammen kommen“. Um wen es sich dabei konkret handelt? Das verrate ich an dieser Stelle nicht, um Sie neugierig zu machen. Lesen Sie doch selbst!
Über den Buchautor Christoph Klein bzw. über den Kontext in dem er schreibt möchte ich weiterhin ein paar Gedanken äußern. Die politische Wende des Jahres 1989 ist in diesen Würdigungen nicht nur als historisches Datum wichtig, sondern auch für den Lebensweg des Autors entscheidend, da er kurz danach zum Bischof gewählt wurde. Es gibt zwei Dinge, die den Unterschied zwischen aufrichtigen und unaufrichtigen Menschen ausmachen: wenn man unten ist, seine Würde zu bewahren, und wenn man oben ist, Mensch zu bleiben. Altbischof Klein ist beides gelungen. Herzlichen Dank!
Der Begriff „Gemeinschaft“ ist ein teures Wort und ein hoher Wert für die Siebenbürger Sachsen im Laufe der Geschichte gewesen, und das weiß niemand besser, als jemand der dieser Gemeinschaft 20 Jahre lang als Bischof vorstand. Der Begriff „Gemeinschaft“ wurde in den letzten 30 Jahren jedoch arg strapaziert und teilweise auch seines Sinnes entleert; wahrscheinlich geschah es bereits früher, aber das müsste soziologisch untersucht werden. Gerade durch die Ausdünnung unserer Gemeinschaft nach 1989 rückten Persönlichkeiten bzw. Einzelgestalten in den Vordergrund, die in die Bresche sprangen, die ein Amt annahmen und ausfüllten, oder die sich auf ihrem Betätigungsfeld einfach in die Arbeit hineinknieten. Die letzten 30 Jahre waren sehr stark eine Periode der Einzelkämpfer mit allen positiven und negativen Begleiterscheinungen. Das ist sicher keine Sondersituation der Siebenbürger Sachsen und liegt nicht an der Auswanderung, sondern eher am allgemeinen Individualismus und Egoismus dieser Zeit (welche die Auswanderung wahrscheinlich mitbedingt haben).
Der Autor hat aber natürlich auch die Zeit vor 1989 im Blick; der älteste Beitrag geht auf das Jahr 1974 zurück. Die Entbehrungen nach dem Krieg, die Einschränkungen des kommunistischen Regimes, ja die politisch motivierten Verfolgungen und unrechtmäßigen Einkerkerungen ziehen sich wie ein roter Faden nicht nur durch sein Leben bzw. jenes seiner Familie, sondern sind auch in den meisten anderen Lebenswegen Siebenbürgens vor 1989 präsent.
So wird ein buntes Mosaik von Persönlichkeiten präsentiert, die auf theologischem oder diakonischem, auf literarischem oder musikalischem, auf pädagogischem oder ökumenischem, auf gesellschaftlichem oder politischem Gebiet Wichtiges und Entscheidendes geleistet haben. Es sind zugleich aber auch Persönlichkeiten, die in Zeiten von Entbehrung oder Verfolgung ihr menschliches Angesicht bewahrt haben und – sofern dies möglich war – andern unter die Arme gegriffen haben. Trotzdem geht es dem Autor nicht um Verherrlichung von Lebensläufen, auch nicht posthum. Als einer, der seinerzeit über die Beichte seine Promotionsarbeit schrieb und immer wieder das Thema „Versöhnung“ vor Augen hatte und bis heute hat, weiß er nur zu gut auch um menschliche Schuldverfallenheit.
Der Band „Lebenswege in Siebenbürgen. Festreden und Nachrufe“ kann – so glaube ich – in der Matrix des von Martin Buber (einer der Lieblingsschriftsteller von Altbischof Klein) herausgearbeiteten „dialogischen Prinzips“ gelesen werden, demgemäß der Mensch sich selbst in der Beziehung zum Du definiert (Martin Buber, ,,Das dialogische Prinzip“, Gütersloher Verlagshaus 2014). Die Erinnerung an die gewürdigten Persönlichkeiten ist dazu angetan „unsere Gegenwart zu erhellen“, zugleich aber „unsere eigenen Probleme, Träume und Wünsche zu nähren“. In diesem Sinne wünsche ich dem vorgestellten Buch ein geneigtes Leserpublikum und dem Jubilar die besten Segenswünsche zum 85. Geburtstag, den er am 20. November d. J. feiern durfte.
Dr. Hans Bruno FRÖHLICH
( von Dr. Hans Bruno Fröhlich in der Hermanstädter Zeitung vom 24.11.2022 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autors∧ nach obenDie Ökumene funktioniert!
30. Juni 2023
Nunmehr zum dritten Mal wurde die Ökumenische Gebetswoche nach dem orthodoxen Pfingstfest gefeiert. Bis zum Jahr 2020 fand sie jeweils Ende Januar statt, aber wegen den pandemiebedingten Einschränkungen wurde sie ab 2021 sicherheitshalber auf den Sommer verlegt; zur Not hätten die Gottesdienste auch unter freiem Himmel stattfinden können, was aber nie der Fall war. Das diesjährige Thema – ausgewählt von den christlichen Kirchen aus Minnesota/USA – war dem Buch des Propheten Jesaja entnommen: „Tut Gutes! Sucht das Recht!“ (Jesaja 1,17).
Beim Abschlussgebet (v. l. n. r.): Mircea Fusaru (orthodox), Ágoston Ferenc (römisch-katholisch), Adrian Dobre (orthodox, Pfr. i. R. – die Seele der Ök. Gebetswoche in Schäßburg), Hans Bruno Fröhlich (evangelisch), Imelda Andrei (reformiert), Ciprian Dărăban (griechisch-katholisch), Claudiu Tofan (orthodox), László-Csaba Jenei (unitarisch).
Foto: Privat
Angesichts von Krieg, Verfolgung und Unrecht kann man sich diese Aufforderung des Propheten nicht oft genug sagen lassen. Andererseits sind wir sehr dankbar, dass das interkonfessionelle Zusammensein – welches zugleich ein interethnisches und interkulturelles ist – seit so vielen Jahren in Schäßburg ein fruchtbares und gedeihliches ist. Es ist vielerorts immer noch nicht selbstverständlich, dass ein orthodoxer Pfarrer in einer unitarischen Kirche, oder ein griechisch-katholischer Pfarrer in einer reformierten Kirche in rumänischer Sprache predigt. Andererseits ist es genau so wenig selbstverständlich, dass in einer orthodoxen Kirche in ungarischer oder deutscher Sprache gebetet und der Segen von protestantischen Pfarrern gesprochen wird. Für all das gebührt dem allmächtigen und gnädigen Gott die Ehre, während den Pfarrern, die diese ökumenische Offenheit an den Tag legen, großer Dank gebührt.
Normalerweise ist es eine „Gebets-Oktave“. Da es aber in Schäßburg sechs historische Kirchen gibt, die sich an dieser Gebetswoche bereits seit 26 Jahren beteiligen, wird sie in einer vollen Woche von Montag bis Samstag mit einem täglichen Vespergottesdienst um 17 Uhr begangen. Der Eingangsteil wird nach der Ordnung und in der Sprache der gastgebenden Kirche gefeiert, während nachher einer der Gastpfarrer predigt und die Gebete bzw. der Segen für den jeweiligen Tag von den anderen beteiligten Pfarrern in den drei Sprachen Siebenbürgens – Rumänisch, Ungarisch, Deutsch – gesprochen werden. Eröffnet wurde die Gebetswoche am 5. Juni in der Klosterkirche durch den gastgebenden Pfarrer Dr. Hans Bruno Fröhlich; die Predigt hielt der römisch-katholische Pfarrer Dr. Ágoston Ferenc. Am Dienstag wurde der orthodoxe Vespergottesdienst von den Pfarrern Claudiu Tofan, Mircea Fusaru und Adrian Dobre zelebriert, wobei Stpfr. Fröhlich die Predigt hielt. Die Römisch-Katholische Kirche war am Mittwoch Gastgeberin; in diesem Vespergottesdienst predigte der unitarische Pfr. László-Csaba Jenei. In der Unitarischen Kirche, in der Pfr. Olimpiu Burlea (orth.) predigte, fand der ökumenische Gottesdienst am Donnerstag statt. Der vorletzte Tag war der Griechisch-Katholischen Kirche reserviert, wobei die reformierte Pfarrerin Imelda Andrei die Predigt hielt. Ihren Abschluss fand die Gebetswoche am 10. Juni in der Reformierten Kirche (Predigt: Pfr. Ciprian Dărăban – griech.-kath.).
Die Ökumenische Gebetswoche ist ein geistliches Highlight in Schäßburg und ich hoffe sehr und bitte Gott dafür, dass sie es bleibt.
Hans Bruno FRÖHLICH
( von Stadtpfarrer Dr. Hans Bruno Fröhlich in der Hermanstädter Zeitung vom 30.6.2023 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autors∧ nach obenKirchenburgen: erhalten oder aufgeben?
11. Juli 2023
Das zweite „Kirchenburgen-Gespräch“ des Jahres erörterte Möglichkeiten
Von: Silas Verchau
Die Kirchenburg von Birthälm/Biertan, erbaut Ende des 15. Jahrhunderts, zählt seit 1993 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Renovierungsarbeiten fanden hier zwischen 1979 und 1991 statt, ab 2004 auch mit Mitteln der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung und des „World Monuments Funds“. | Foto: Kayle Kaupanger/Unsplash
Die Kirchenburgen Siebenbürgens zeugen von der bewegten Geschichte der Siebenbürger Sachsen und der ansässigen Bevölkerung. Die Kirchen wurden in vergangenen Zeiten zusammen mit weiteren Befestigungsanlagen dafür genutzt, sich vor Feinden zu schützen – heute schmücken die rund 160 erhaltenen Kirchenburgen Städte und Dörfer, von denen sieben zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Doch die Evangelische Kirche A. B. (Augsburgischen Bekenntnisses) hat noch keine Lösung für den Erhalt und die Restaurierung aller kirchlicher Gebäude, allen voran den Kirchenburgen, gefunden. Aus diesem Problem heraus entwarf die rumänische Stiftung Kirchenburgen die „Kirchenburgen-Gespräche“. Im zweiten Kirchenburgen-Gespräch des Jahres wurde Mitte Juni darüber diskutiert, ob und wie die Kirchenburgen in Siebenbürgen erhalten und restauriert werden können.
Zugespitzt formuliert hieß das Thema des Abends: „Behalten versus Veräußern – Welche Strategie dient dem Erhalt der Kirchenburgen?“ Zu der Diskussion wurden zwei Gäste eingeladen: Dr. Bruno Fröhlich, Bezirksdechant und Stadtpfarrer von Schäßburg/Sighișoara, sowie Arne Franke, Kunsthistoriker und Denkmalpfleger aus Berlin. Fröhlich ist für 84 Kirchen im Schäßburger Bezirk verantwortlich – Franke befasst sich seit vielen Jahren mit den Kirchenburgen in Rumänien und brachte bereits mehrere kunsthistorische Publikationen über Siebenbürgen heraus.
Sorgenkinder unter den Prestigeobjekten
Stadtpfarrer und Bezirksdechant Bruno Fröhlich erläuterte zu Beginn, dass der Zustand der sogenannten Prestigeobjekte in seinem Schäßburger Bezirk besser als vor zehn bis fünfzehn Jahren sei und „so ziemlich alle“ dieser Gebäude hergerichtet seien. Man habe jedoch auch Sorgenkinder, wie die Kirche in Schaas/Șaeș, die auf sumpfigem Untergrund stehe und schwere Mängel aufweise. Sie bedürfe intensiver Restaurierungsarbeiten, die nicht mit tausend oder zehntausend Euro zu bewerkstelligen wären.
Bezüglich der Frage, wer die Verantwortung für die kirchlichen Gebäude trägt, erklärte Fröhlich: „Eigentümer sind die Kirchengemeinden. Ideal wäre es, wie es das einmal gegeben hat, dass sie alle eigenständig sind und ihre Immobilien selber verwalten.“ Leider seien das nur noch bei ganz wenigen Gemeinden der Fall. Deswegen werden die meisten Gemeinden vom Bezirkskonsistorium verwaltet, auch in rechtlichen Belangen. „So vertrete ich als Pfarrer von Schäßburg den Eigentümer, die Kirchengemeinde Schäßburg. Als Dechant des Schäßburger Bezirkes vertrete ich aber 84 Ortschaften. Selbst wenn ich das wollen würde, bräuchte ich ein halbes Jahr, bis ich alle bereist und überall eine Bestandsaufnahme gemacht habe“, so Fröhlich. Prinzipiell sei er dafür, dass sich die Gemeinden, Heimatortsgemeinschaften und andere Gruppen eigenständig um die Gebäude kümmern, so lange dies funktioniert.
Ein gesamteuropäisches Problem
Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Arne Franke machte im Gespräch deutlich, dass er eine treuhändische Verwaltung als beste Lösung sehe – für eine langfristige Instandhaltung und Nutzung aller Kirchenburgen und denkmalgeschützten Gebäude der Kirche.
In Deutschland würde man erst mal von einer zentralen Verwaltung der Objekte der Evangelischen Kirchen A.B. ausgehen, erläuterte Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Franke, „aber so ist es ja nicht.“
Das große Problem sei, dass die Dechanten und die einzelnen Pfarrer zurzeit die Fürsorge für die Objekte tragen und „mit den denkmalpflegerischen Aufgaben vielleicht etwas überfordert sind.“ Ein „Trust“ könnte die denkmalgerechte Pflege und Verwendung kircheneigener Gebäude zentral verwalten und Nutzungskonzepte erstellen.
Die rumänische Stiftung Kirchenburgen könnte die Immobilien übertragen bekommen oder eine neu gegründete Stiftung – in enger Zusammenarbeit mit anderen Stiftungen, die sich bereits für das architektonische Erbe der Siebenbürger Sachsen engagieren. Die rechtlichen Aspekte sowie die Finanzierung eines solchen Vorhabens müssten allerdings noch geklärt werden.
Außerdem dürften, um das „Kulturgut Kirchenburgenlandschaft“ zu erhalten, keine Kirchenburgen und keine weiteren denkmalgeschützten Objekte der Kirche veräußert werden. Ein Verkauf könne zwar potentiell für den denkmalgerechten Erhalt der Gebäude sorgen, doch die Zukunft der Gebäude sei damit nicht gesichert, so Franke. Weiter führte er aus, es sei ein gesamteuropäisches Problem, dass man sich um kirchliche Gebäude nicht ausreichend kümmert – vor allem bedingt durch den Rückgang an Gläubigen und Gemeinden. Er kenne diese Probleme beispielsweise aus Frankreich, England und Polen, wo sie mittlerweile von verschiedenen Organisationen angegangen werden, die vorbildlich für Siebenbürgen sein könnten.
England als Vorbild?
In England etwa gebe es sehr viele Aktivitäten rund um den Erhalt historischer Objekte, allen voran den „National Trust“. Dieser kümmert sich mitunter um den Erhalt und die Nutzung von Schlössern und Herrenhäusern, um die sich der Adel aus finanziellen Gründen nicht mehr kümmern konnte. Der „Trust“ habe sich mit den ehemaligen Besitzern arrangiert, so „wohnen oftmals die Familien immer noch in einem Teil dieser Häuser“, erzählte Franke.
Darüber hinaus spreche nach einer treuhändischen Übernahme der Immobilien nichts dagegen, dass sich beispielsweise eine Heimatortsgemeinschaft (HOG) um ihre Kirche kümmert. „Im Gegenteil“ – eine neue Stiftung oder die erweiterte Stiftung Kirchenburgen würde froh darum sein, wenn es jemanden gibt, der sich vor Ort um die Gebäude kümmert. Als weitere Organisation zählte er die Organisation „Safe Britain’s Heritage“ auf, die seit 1975 aktiv ist und „auch sehr viele unrentable Objekte übernommen hat, in Zusammenarbeit mit dem ‚Landmark Trust‘, der eine wirtschaftliche Verwertung von solchen Objekte angehe.“ Die Organisation sei ein großer Erfolg. Beispielsweise wären als unrentabel geltende Leuchttürme zu kostspieligen Ferienwohnungen umgebaut worden.
Als letztes nannte Franke den „Churches Conservation Trust“, der Objekte, die ursprünglich der Kirche gehörten, pflegt und eng mit der Kirche zusammenarbeite. Er könnte eine Art Vorbild sein, mit über 350 übernommenen Kirchen und einer Vielzahl an Mitarbeitern – die er bei der Gründung 1969 noch nicht hatte. Circa 1700 Freiwillige arbeiten nach Angaben des Churches Conservation Trusts jährlich für die Organisation. „Das kennen wir von ‚Workcamps‘ bei uns auch. Da kommen Freiwillige, nicht nur externe, sondern auch aus der Region“, meinte Franke. In Trappold beispielsweise hole sich Sebastian Bethge Leute, die mit einem kleinem Entgelt, beziehungsweise Mittagessen, bezahlt würden.
Ein weiterer Vorschlag des Kunsthistoriker und Denkmalpflegers: „Warum macht man in Siebenbürgen nicht mal eine internationale Konferenz zu diesen Problemen?“ Länder wie Frankreich, England oder Polen könnten dort ihr Wissen weitergeben, auch zu möglichen Nutzungskonzepten für die Gebäude.
Skepsis gegen Zentralisierung
Bruno Fröhlich stand der Idee eines „Trusts“ im Allgemeinen positiv gegenüber – eine vollständige, treuhändische Verwaltung der kirchlichen Immobilien sehe er aber skeptisch: „Bei uns ist es so, dass die Eigentümer dieser wertvollen Immobilien – Kirchen, Pfarrhäuser, Kulturhäuser – die Gemeinden sind, das heißt die Kirchengemeinden vor Ort.“
Da nur noch wenige Gemeinden eigenständig seien, gehe es in der heutigen Zeit nicht mehr ohne eine gewisse Dosis an Zentralisierung.
„Wir sind dankbar dafür, dass wir in den letzten Jahren auch damit überlebt haben, dass nicht von oben gesagt wurde wo es langgeht. So lange sich die Sachsen selber verwaltet haben, habe die Pflege kirchlicher Gebäude funktioniert, wenn es Leute vor Ort gab und alle Verantwortlichen ihren Beitrag geleistet haben. Bei uns hat diese Demokratie an der Basis, wenn man so will, wirklich funktioniert, über Jahrhunderte hinweg“, so Fröhlich.
Ab dem Moment, als man begonnen habe, von ganz oben zu delegieren, hätten die Zerfallserscheinungen so richtig eingesetzt. „Deswegen ist unsereins etwas skeptisch, wenn wir Zentralisierung hören“, schilderte Fröhlich weiter.
„Aber unser großes Problem ist ja dort wo wir keine Menschen mehr vor Ort haben und damit auch keine Gemeinden. Wo wir noch zwei, drei, sieben Personen vor Ort haben, die aber schon alt sind oder auch jünger, aber im Ausland arbeiten müssen um ihr Geld zu verdienen. Dort würde wahrscheinlich so ein Trust greifen, dem möchte ich mich gar nicht verschließen. So lange man eine Kirche für geistliche Zwecke nutzen kann, soll man es tun, wenn es nicht mehr geht, ist es wieder eine andere Frage. Das ist eine Gratwanderung.“
An dem Punkt hakte Arne Franke mit dem Vorschlag ein, eine reduzierte Stiftung aufzustellen, „das heißt eine Stiftung, die vor allem die Problemfälle übernimmt, Kirchenburgen wie auch andere kirchliche Gebäude.“
Fröhlich wiederum erklärte, dass dies in ähnlicher Art schon umgesetzt worden sei: „Mit dem Dächerprogramm, gefördert durch den deutschen Staat, konnten wir zumindest im Schäßburger Bezirk drei Kirchen für die nächsten zehn, zwanzig Jahre retten. Nun haben wir in unserem Bezirk eigentlich nur noch Belleschdorf, wo wir eine Ruine haben.“
Außerdem merkte Fröhlich bezüglich erweiterter Nutzungskonzepte der kirchlichen Gebäude an, dass es wohl steuerrechtliche Probleme geben würde, wenn man kirchliche Gebäude ökonomisch nutzt. „Die kirchlichen Gebäude sind von der Grundsteuer befreit, aber in dem Moment, wenn dort ökonomische Aktivitäten drin sind, werden sie plötzlich steuerpflichtig.“
Entwicklungshilfe?
Zum Schluss des Kirchenburgengesprächs wurde noch auf einige Publikumsfragen eingegangen, wie die Frage, ob es durch die kirchliche Struktur rechtlich zulässig ist, dass eine Managementfirma oder Stiftung die Gebäude treuhändisch verwaltet oder eine Anpassung der Kirchenordnung notwendig ist, worauf Fröhlich erklärte, dass dies die existierende Kirchenordnung hergeben würde.
Eine weitere Publikumsfrage lautete: Kann die deutsche Stiftung Denkmalschutz hier in Siebenbürgen Entwicklungshilfe leisten? „Das ist eine Frage, die ich ziemlich eindeutig mit ‚Nein‘ beantworten kann“, so Franke. „Wobei ich natürlich sage: leider“.
Das gebe die Stiftungssatzung wohl nicht her. Eine Kooperation sei prinzipiell möglich und eine unabhängige Tochterstiftung denkbar. „Heute ist es meiner Einschätzung nach so, dass die Stiftung Denkmalschutz sagen würde, dass sie in Deutschland genug zu tun hat. Aber ich glaube, wenn man sie beispielsweise zu einer Tagung einladen würde, würde sie jemanden schicken, der dann sagt, wir haben ein gewisses Knowhow und können euch sagen wie man so was aufziehen könnte. Das könnte man mit dem National Trust auch probieren“, so Franke.
( von Silas Verchau in der Allgmeinen Deutschen Zeitung für Rumänien vom 11.7.2023 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autors∧ nach obenEin Wächter der Burg
Zinngießerturm in Schäßburg wird notsaniert
22. März 2024
Der Zinngießerturm in Schäßburg. Fotos: INP
Die evangelische Kirchengemeinde A. B. Schäßburg hat Ende Februar seitens des Nationalen Kulturerbeinstituts (Institutul Național al Patrimoniului, INP) durch das Programm „Wertmarke der historischen Denkmäler” (Timbrul Monumentelor Istorice), Unterabteilung „Not-
eingriffe (vor und nach einem Desaster)”, einen Zuschuss für die Sicherung des Zinngießerturms der Stadtburg erhalten. Es handelt sich um insgesamt 250.000 Lei, wobei der Eigenbeitrag der evangelischen Kirchengemeinde A. B. 25.000 Lei beträgt.
Der Zinngießerturm ist einer der neun von den insgesamt 14 der mittelalterlichen Burgstadt – die als Ensemble 1999 auf die UNESCO-Welterbe-Liste gesetzt worden ist – erhalten gebliebenen Wehrtürmen. Er befindet sich an der Ostseite der Stadtmauer und gilt als einer der schönsten Türme. Gemeinsam mit dem Gerberturm „bewacht” er das kleine Stadttor unterhalb des Stundturms.
Innenansicht des Dachstuhls des Zinngießerturms.
Der Zinngießerturm weist derzeit starke Schäden auf, Risse, Dachschäden aller Art, ja sogar Pilzbefall an den Holzteilen.
Der Noteingriff bezieht sich auf dringend notwendige Sanierungsarbeiten. So wird z. B. das Dach überholt, um das Eindringen von Regenwasser und die weitere Schädigung zu verhindern. Desgleichen werden der Verputz und die Grundmauer fachgerecht gesichert.
Beatrice UNGAR
( von Beatrce Ungarn in der Hermanstädter Zeitung vom 22.3.2024 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autorin∧ nach obenBuchvorstellung im Spiegelsaal
18. April 2024
2020 hatte der damals frischgebackene Doktor der Theologie, der Schäßburger Dechant Pfarrer Dr. Hans-Bruno Fröhlich den
Honterus-Verlag gewählt, um seine Dissertation unter dem Titel „Eine einmalige Gabe. Die Frage der Anerkennung der christlichen
Taufe zwischen evangelischer und orthodoxer Kirche und die Praxis in Rumänien” in Buchform zu veröffentlichen.
Die Buchvorstellung fand am 22. September 2020 im Innenhof des „Friedrich Teutsch”-Begegnungs- und Kulturzentrums in
Hermannstadt statt. Ihren Beitrag darüber, der in der Hermannstädter Zeitung Nr. 2692/2. Oktober 2020 erschienen ist, titelte
Pfarrerin Angelika Beer treffend „Ein siebenbürgisches Ereignis”.
Nun hat es Dr. Ramona Besoiu geschafft, das Buch ins Rumänische zu übersetzen. Die Vorstellung der rumänischen Fassung, die unter dem Titel „Darul cel unic. Taina Botezului în Biserica Evanghelică și Biserica Ortodoxă. Recunoașterea sa și practica în România“ ebenfalls im Honterus-Verlag veröffentlicht wurde, fand am 12. April im Spiegelsaal des DFDH statt.
Unser Bild (v. l. n. r.): Dr. Hans Bruno-Fröhlich, Dr. Alexandru Marius Crișan, Prof. Dr. Ioan Tulcan und Dr. Ramona Besoiu gehörten zu den Rednern.
Beatrice UNGAR
( von Beatrce Ungarn in der Hermanstädter Zeitung vom 18.4.2024 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autorin∧ nach obenEin prägender Freibrief. 800 Jahre Privilegium Andreanum
30. Juni 2024
Hans Bruno Fröhlich
Ein prägender Freibrief. 800 Jahre - Privilegium Andreanum
1224 erhielten die deutschen Siedler in Siebenbürgen vom ungarischen König Andreas II. durch einen Freibrief eine Reihe von Rechten und Pflichten. Insbesondere das Recht, Amtsträger frei wählen zu können, sticht heraus und bedeutete viel Autonomie und Selbstverwaltung für die lokale Bevölkerung. Für die bis heute andauernde Selbstwahrnehmung der Siebenbürger Sachsen als eigene Volksgruppe spielte der Freibrief eine entscheidende Rolle.
Die Siebenbürger Sachsen und ihre Evangelische Kirche A. B. in Siebenbürgen (ab dem Jahr 1919 in Rumänien) hätte es wahrscheinlich ohne dieses Dokument so nicht gegeben. Gerade weil diese sehr kleine ethnische und konfessionelle Minderheit auch heute noch existiert, sollte dieser runde Geburtstag eines ihrer wichtigsten Gründungsdokumente nicht vergessen werden. Sicherlich ist es anachronisch, vor 800 Jahren von einer „evangelischen“ Kirche zu sprechen. Es war aber nicht zuletzt auch dieser „Freibrief der Siebenbürger Sachsen (Andreanum) (1), der Entwicklungen generiert hat, die lange vor der Reformation freiheitlichen und (fast) protestantischen Geist atmeten. Das Original dieses interessanten und wertvollen Dokumentes ist verloren gegangen, die meisten seiner Bestimmungen waren jedoch bis ins 19. Jahrhundert hinein in Kraft. (2)
Anwerbung deutscher Siedler
Gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrtausends wurden die Ungarn in der pannonischen Tiefebene ansässig. Bei der „Schlacht auf dem Lechfeld“ im Jahr 955 wurden sie von Otto dem Großen besiegt und an einer weiteren Expansion nach Westen gehindert. Ab diesem Zeitpunkt begannen sie dann Schritt für Schritt nach Siebenbürgen (also in Richtung Südosten) vorzudringen. Dass das Land im Karpatenbogen zu der Zeit nicht ganz unbesiedelt war, geht aus dem Andreanischen Freibrief selber hervor, da hier den neuen Siedlern – die aus dem Gebiet von Rhein und Mosel kamen und erst später den Namen „Siebenbürger Sachsen“ erhielten – das Recht zugesprochen
wird, den Wald der „Wlachen“ (die später Rumänen genannt werden) und „Bissenen“ (Petschenegen, ein zwischenzeitlich
untergegangenes Wandervolk) sowie die Gewässer gemeinsam zu nutzen („usus communes“). Das Problem der neuen Landesherren, sprich der ungarischen Krone, war – um einen sehr aktuellen Begriff zu verwenden – ein großer „Fachkräftemangel“, und der Andreanische Freibrief ist, wenn man so will, eine Reaktion darauf. Man könnte ihn fast als eine mittelalterliche „Greencard“ bezeichnen, doch der Vergleich hinkt insofern, da die Gewährung einer „Greencard“ existente wirtschaftliche Strukturen voraussetzt.
Das war hier nicht der Fall, im Gegenteil: durch diesen Freibrief wurden erst neue Strukturen geschaffen, und zwar nicht nur wirtschaftliche, sondern auch verwaltungstechnische, militärisch-strategische und eben auch kirchliche. Auch wenn in jener Zeit im Zusammenhang der Kreuzzüge die Migration gen Osten für alle möglichen Typen „schick“ geworden war – der Begriff „Kreuzritter“ hat ja bekanntlich bis heute nicht unbedingt einen positiven Klang –, gilt im Fall der Besiedelung Siebenbürgens und speziell im Fall der „Zielgruppe“ des Andreanischen Freibriefs, was der Historiker und Archivar Thomas Şindilariu festhält: „Die Deutsche Ostsiedlung war keine Armutsmigration, sondern eine von spezialisierten Fachkräften in militärischer, landwirtschaftlicher und städtebaulicher Hinsicht – dasselbe gilt auch für Handwerk und Handel. (3)
Die Idee, „Spezialisten“ ins Land zu holen, die als „hospites nostri Theuthonici Ultrasiluani“ bezeichnet werden, war keine Erfindung des ungarischen König András/Andreas II. (reg. 1205–1235); aus der Einleitung des Freibriefs entnehmen wir, dass bereits zur Zeit seines Großvaters, König Géza/Geysa II. (reg. 1141–1162), Siedler aus dem mosel-fränkischen Raum gerufen worden waren. Es waren Bergbauern, die dem Ruf der ungarischen Krone gefolgt waren und sich im Norden und im Westen Siebenbürgens niedergelassen hatten. Auch wenn diese Siedlergruppe relativ schnell assimiliert wurde, scheint auf sie der Name „Sachsen“ zurückzugehen, da sie – so der Historiker Harald Roth – das sächsische Bergrecht mitbrachten. (4) Übrigens wird in diesem Fall das Wort „Sachsen“ wie auch das ungarische Pendant dazu „Szások“ – so wurden die Siedler von der ungarischen Verwaltung genannt – mit stimmhaftem „s“ ausgesprochen. Ein plausibler Grund, weshalb dieser Freibrief gerade zu jenem Zeitpunkt ausgestellt wurde, kann die beabsichtigte Vertreibung des Deutschen Ritterordens durch das Heer des damaligen ungarischen Königs Andreas II. gewesen sein. Der Ritterorden war erst im Jahr 1211 ins „Burzenland“ (der südöstlichste Teil Siebenbürgens, wo die Karpaten den Knick machen) gekommen, verfolgte aber eine eigene Agenda, die dem König gar nicht genehm sein konnte, nämlich eine staatliche Verwaltungseinheit unter päpstlicher Oberhoheit zu gründen. Ein Freibrief beinhaltete nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten.
Eine der Pflichten, die den Siedlern aufgetragen wurden, bestand darin, den König mit 500 Bewaffneten zu unterstützen, wenn er innerhalb des Reiches ins Feld ziehen sollte. Die Urkunde wurde, so Harald Roth (5), wahrscheinlich im November oder Dezember des Jahres 1224 ausgestellt, und der Deutsche Ritterorden innerhalb des Jahres 1225 aus dem Burzenland vertrieben: in militärisch-strategischer Hinsicht ein Erfolg für den ungarischen König Andreas II.
Für die Region, wo die Siebenbürger Sachsen ansässig geworden waren, bzw. wo dieser Freibrief Rechtskraft hatte, etablierte sich der Name „Königsboden“, da die gerufenen Siedler nur dem König untertan und ihm steuerpflichtig waren. Auch wenn es immer wieder Versuche von Adligen gab, sich auf diesem Gebiet niederzulassen, so ist das nicht gelungen; wer dort sesshaft werden wollte, musste auf seine Privilegien als Adliger verzichten und – um in den Genuss der Rechte zu kommen – sich denselben Pflichten wie alle anderen unterwerfen. Nicht nur das Zusammengehörigkeitsgefühl der Siebenbürger Sachsen, sondern auch ihr Sinn für Selbstverwaltung („unus sit populus et sub uno iudice censeantur“) hat ebenfalls in diesem Freibrief seine Wurzeln. Und nicht zuletzt die Tatsache, dass diese möglicherweise älteste deutsche Siedlergruppe über Jahrhunderte
hinweg sprachlich nicht assimiliert wurde, sondern bis heute einen Dialekt spricht, der dem Luxemburgischen sehr ähnlich ist und von Dorf zu Dorf kleinere oder größere Unterschiede im Blick auf Aussprache und Wortschatz aufweist, scheint diesem verbrieften Recht geschuldet zu sein.
Identitätsstiftende Rechte
Eine auch für heutige, aber für mittelalterliche Verhältnisse erst recht, besonders demokratische Bestimmung ist die freie Wahl der Amtsträger, die in diesem Freibrief expressis verbis erwähnt wird. Nicht nur in juristischer Hinsicht (Wahl des Richters) oder in der Verwaltung (Wahl des Bürgermeisters), sondern auch im kirchlichen Bereich wurde dieses Recht festgelegt. Bemerkenswert sind daran zwei Dinge: die Gewährung einer Lokalautonomie, in dem Sinne, dass der Pfarrer nicht von oben eingesetzt werden soll, also vom Bischof, sondern von unten bzw. von der Gemeinde frei gewählt wird. Dem Bischof wird der Gewählte nachher bloß vorgestellt; es ist keine Rede davon, dass die Wahl durch den Bischof bestätigt werden muss. Und zweitens wird die Fiskalautonomie der Kirchengemeinde festgeschrieben. Der „Zehnte“, sprich die „Kirchensteuer“, wurde von den Gemeindegliedern beim Pfarrer (also lokal) abgeführt. Der Pfarrer musste sich dann darum kümmern, dass einen Teil davon (die Zehntquarte, also ein Viertel von diesen zehn Prozent) der Bischof bekam. Und das im Kontext des frühen 13. Jahrhunderts, nicht lange nach dem Investiturstreit! Sicherlich spielte auch der logistische Umstand eine besondere Rolle, dass die damaligen Einwanderer in kirchrechtlicher Hinsicht dem Erzbischof von Gran (Esztergom, heute nordwestlich von Budapest) unterstellt waren. Das war für damalige Verhältnisse sehr weit weg, so dass der Erzbischof wenig Präsenz zeigen konnte und die Dechanten quasi episkopale Befugnisse bekamen – lange vor der Reformation.
Nur als Randbemerkung sei noch angeführt, dass es in Siebenbürgen auch später noch Ansiedlungen gegeben hat, die nicht unter die Inzidenz dieses Freibriefs fielen. Als 1848 die
Leibeigenschaft aufgehoben wurde, lebte etwa ein Drittel der Siebenbürger Sachsen nicht auf dem „Königsboden“, sondern als Untertänige auf dem sog. „Adels-“ bzw. „Komitats-Boden“. Dennoch waren die Bestimmungen des Andreanums zumindest in kirchlicher Hinsicht auch für diese untertänigen Gemeinden in Kraft. So viel musste der Adlige, der sich Siebenbürger Sachsen als Untertänige auf seinen Komitats-Boden holte, diesen zugestehen: der Ortsvorsteher wurde wohl vom Adligen eingesetzt, nicht aber der Pfarrer.
Die meisten Bestimmungen des Andreanischen Freibriefs verloren im 19. Jahrhundert ihre Relevanz. Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich und der Gründung der Doppelmonarchie 1867 wurde im Jahr 1876 die siebenbürgisch-sächsische Selbstverwaltung, die sog. „Nationsuniversität“, aufgelöst. Der „Königsboden“ wurde zerschlagen
und Siebenbürgen mittels einer Gebietsreform in Komitate (eine Art Landkreise) aufgeteilt. Ab diesem Zeitpunkt war der Andreanische Freibrief definitiv Geschichte. Nach dem Ersten Weltkrieg ging dann eine mehr als tausendjährige Epoche zu Ende, da Siebenbürgen (bis 1526 Teil des Ungarischen Königreichs, nachher dem Osmanischen Reich tributpflichtiges, aber eigenständiges Fürstentum und von 1691 bis 1919 Teil der Österreichischen Monarchie) Teil des damaligen Königreichs Rumänien wurde. Wirtschaftliche oder gar militärische Bestimmungen des Andreanischen Freibriefs hatten da schon längst keine Bedeutung mehr. Der ethnogenetische Aspekt, in dem Sinne, dass die Siebenbürger Sachsen sich bis heute als eigene Volksgruppe verstehen (selbst nach der Auswanderung der meisten von ihnen nach Deutschland nach dem Fall des Eisernen Vorhangs), ist aber nicht von der Hand zu weisen. Und erst recht spielt das Andreanum für das kirchliche Selbstverständnis der Siebenbürger Sachsen bis heute eine wichtige Rolle.
(1) Lateinische Originalfassung: https://siebenbuergenurkundenbuch.
ub.rptu.de/catalog/43. Deutsche Übersetzung in: Wagner,
Ernst (Hg.): Quellen zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen
1191–1975. Köln/Wien ²1981 , S. 15–20.
(2) Vgl. ausführlich zu der Thematik Roth, Harald: 800 Jahre Andreanum
als Verfassungsgrundlage der Sächsischen Nation. In:
Köber, Berthold (Hg.): Jahrbuch 2024 – Freiheit und Eigenverantwortung.
Siebenbürgisch-Sächsischer Hauskalender. 69. Jahrgang.
Hermannstadt/Bonn 2023, S. 117–141; Şindilariu Thomas:
Verbriefte Freiheit und Eigenverantwortung, https://www.
hermannstaedter.ro/2024/01/verbriefte-freiheit-und-eigenverantwortung/
(3) Şindilariu, Verbriefte Freiheit (Anm. 2).
(4) Roth, 800 Jahre Andreanum (Anm. 2).
(5) Roth, 800 Jahre Andreanum (Anm. 2).
(von Dechant, Stadtpfarrer Dr. Hans Bruno Fröhlich in RGOW 7–8 / 2024, 52. Jahrgang (Religion & Gesellschaft in Ost und West))
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autors
∧ nach obenStreben nach der gegebenen Einheit
Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) tagte in Hermannstadt
Pfarrer Ștefan Cosoroabă (links) gratuliert Pfarrerin Rita Famos zur Wahl, Pfarrer Gerhard Servatius-Depner (Bildmitte), einer der gewählten stellvertretenden Ratsmitglieder der GEKE, schließt sich an.
„Europa ringt darum, nicht auseinanderzubrechen“, und man müsse „Nach der Einheit streben, ohne die Wahrheit preiszugeben“, sagte die neugewählte geschäftsführende Präsidentin der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), die Schweizer Pfarrerin Rita Famos, in ihrer Predigt zu Epheser 4, 1-15 im Abschlussgottedienst der neunten Vollversammlung der GEKE in der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt am Sonntag, dem 1. September. Famos ist Präsidentin der Evangelisch-Reformierten Kirche in der Schweiz (EKS).
Was zu Konfrontation und Spaltung führe, seien „die Bewältigung der Bedrohung durch den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, die Frage nach dem Umgang mit den vielen Migrantinnen und Migranten, die nach Europa strömen, der Graben zwischen Wohlstand und Armut – das und noch vieles Weiteres“, sagte Famos und warb dafür, die Einheit der Kirchen zu gestalten und auf sie hinzuarbeiten. Trotzdem waren auch kirchenkritische Töne von ihr zu hören: „Einheit ist keine Frage von Überzeugungen, die wie Eintrittskarten für den Zugang zu einem Club abgegeben werden müssen. Einheit ist etwas, das wir nicht herstellen können, sondern die uns gegeben ist und der wir nur in der gegenseitigen Haltung der respektvollen Zuwendung entsprechen können. Die institutionalisierte Kirche verführt uns zu einer notorischen Verwechslung, zwischen dem was Christus bewirkt und dem was wir herstellen und tun können. Damit wäre klar, dass die Einheit, von der unser Predigttext spricht, zunächst nicht an unser Können und Machen appelliert und kein operationalisierbares Kirchenprogramm präsentiert“.
Gruppenbild mit den Delegierten der GEKE-Vollversammlung, den Gästen, den Stewards und den Mitgliedern des Organisationsteams vor der evangelischen Stadtpfarrkriche in Hermannstadt. Foto: Focus Photos Agency
Famos rief dazu auf, an der Einheit festzuhalten, ohne das Ringen um die Wahrheit preiszugeben. Nur so könnten die Kirchen einen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen.
Bei der Abschlusspressekonferenz der GEKE-Vollversammlung, am Montag in der Aula der Brukenthalschule, zogen die neu gewählte Ratspräsidentin Rita Famos, der scheidende Ratspräsident John Bradbury, Generalsekretär Mario Fischer und Gerhard Servatius-Depner, Pfarrer in Mediasch und einer der Vertreter der vier gastgebenden Kirchen (Evangelische Kirche A.B. in Rumänien), und Leiter des ZETO (Zentrum für evangelische Theologie Ost) Bilanz.
„Das eindrücklichste Bild war für mich zu sehen, dass der Eröffnungsgottesdienst noch stark lokal geprägt war, und wie beim Abschlussgottesdiest die verschiedenen europäischen Gottesdiensttraditionen sichtbar wurden”, so Servatius-Depner, der die Möglichkeit zum gemeinsamen Austausch als besonders positiv bei der Vollversammlung empfunden hat.
Blick in die als Tagungsraum gestaltete evangelische Stadtpfarrkirche bei einer Abstimmung. Foto: Focus Photos Agency
Der ehemalige Präsident John Bradbury betonte die Bedeutung des gemeinsamen Glaubens und Betens inmitten verschiedener Sprachen und Konfessionen und während der Sitzungen und Besprechungen.
Die neue GEKE-Präsidentin Rita Famos zeigte sich tief beeindruckt von der hohen Fähigkeit zur Synodalität bei der Vollversammlung: „Wir haben klare Statements, aber wir sind offen für andere Meinungen. Im Zuhören kann auch die eigene Sichtweise noch einmal hinterfragt werden”.
Famos stellte in Kürze die wichtigsten Arbeitsprozesse der kommenden sechs Jahre vor. Erstens werde die Frage nach dem Menschenbild mit den zunehmenden Möglichkeiten künstlicher Intelligenz und der bioethischen Aspekte aus evangelischer Sicht beleuchtet, zweitens die Konfessionalität in einer postkonfessionellen Welt bearbeitet, drittens sollen die Gespräche mit der baptistischen, der katholischen und der anglikanischen Kirche fortgesetzt und viertens die Themen Migration, Friedensethik und Theologie des Wandels aufgearbeitet werden.
Famos hob auch die gastgebende Stadt Hermannstadt mit ihren verschiedenen Kirchen und Sprachen hervor. „Die Komplexität der Geschichte wird hier sichtbar”, so Famos.
Generalsekretär Mario Fischer sagte abschließend, was für ihn der wichtigste Moment war: „Wir konnten alle Vorhaben für die Zukunft verabschieden. Die Bedeutung der Leuenberger Konkordie wurde dabei sichtbar.” Für die Zukunft habe sich gezeigt, dass Theologie mittlerweile global anders als in den traditionellen Kirchen Europas gelebt werde, was sich auch in den Migrationskirchen in Europa zeige. Europäische Theologinnen und Theologen kämen an die Grenzen ihrer Sprachfähigkeit.
Auf die Frage der HZ, wie die in ihrer Predigt getätigte Aussage „Nach der Einheit streben, ohne die Wahrheit preiszugeben“ verstanden werden soll, „Niemand von uns hat die Wahrheit, die Wahrheit werden wir erst am Ende der Zeit erfahren. Wir alle haben unseren Beitrag zur Wahrheitsfindung zu leisten. Daher ist es wichtig, unsere Positionen, unsere jeweils verschiedenen Positionen klar zu formulieren. Es ist ein Prozess, der erfordert sehr viel Sorgfalt, sehr viel Geduld und wir müssen diese Kultur des Schlagabtausches hinter uns lassen. Unsere europäische Kultur, auch demokratische Kultur, ist immer mehr gefährdet durch Schlagabtausch und Rechthaberei. Das müssen wir hinter uns lassen, ohne unsere Position zu verlassen aber auch im Wissen, ich bin nur ein Teil dieses ganzen Wahrheitsfindungsprozesses.”
Gruppenbild der Gottesdienstteilnehmenden auf dem Pfarrhof mit Blick auf die Großauer evangelische Kirche. Foto: Beatrice UNGAR
Die GEKE-Vollversammlung tagte von Dienstag, den 27. August, bis Sonntag, den 1. September, die Delegierten, Gäste, Beobachter u. a. hatten aber auch Gelegenheiten, das Beisammensein zu genießen, gemeinsam Gottesdienste zu feiern, Einrichtungen der gastgebenden GEKE-Mitgliedskirchen in Hermannstadt und Umgebung zu besuchen.
So stellten sich beim Abend der Begegnung am Donnerstag, dem 29. August, im Thaliasaal diese Kirchen vor. Begrüßt wurden die Anwesenden zunächst von Hermannstadts Bürgermeisterin Astrid Fodor, von Dr. Ciprian Vasile Olinici, Staatsekretär für Kulte, dem stellvertretenden Kreisratsvorsitzenden Vlad Alexandru Vasiu und Martin Bottesch, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien.
Da das Thema der Vollversammlung „Im Licht Christi – berufen zur Hoffnung“ lautete, sollten die Vertreter der Kirchen ihre Gedanken zur Zukunft äußern. Seitens der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien sprach Pfarrer Gerhard Servatius-Depner, seitens der Methodistischen Kirche Rareș Călugăr und seitens der Unitarischen Kirche Pfarrer Nagy Norbert. Die Reformierte Kirche war bloß durch zwei Musiker – Dénes Dorottya (Cello) und Rákász Gergely (Orgel) vertreten, die ihren Beitrag zum musikalischen Rahmen des von Christel Ungar-Țopescu und Zsolt Elekes moderierten Abends zu Gehör brachten. Zur musikalischen Gestaltung trug auch das Collegium Musicum Brukenthal (Jürg Leutert, Brita Falch Leutert, Maximilian Braisch, Iuliana Cotîrlea, Gabriel Silișteanu) bei sowie die Ausnahmesängerin Sorbán Enikő und zwei US-Amerikanerinnen, Leah Harper und Sarah Putman. Bei einem reichen Büffet mit kalten und warmen Speisen konnten die Gäste sich noch lange austauschen.
Am Sonntag nahmen die Delegierten und Gäste in Gruppen von je 15-20 Personen an Gottesdiensten in Kirchen in Hermannstadt (evangelisch A. B., methodistisch, reformiert), Großau (evangelisch A. B.), Salzburg (reformiert), Mediasch (evangelisch A. B. bzw. unitarische Kirche), Bürgisch (reformiert), Fogarasch (evangelisch A. B.), Halmagen (evangelisch-lutherisch), Heltau (evangelisch A. B.) und Michelsberg (evangelisch A. B.) teil und hatten Gelegenheit daselbst bei einem gemeinsamen Mittagessen sich mit den Gemeindemitgliedern zu unterhalten.
Die Beschlüsse der GEKE-Vollversammlung sowie Videoaufzeichnungen und Fotos sind auf der Website cpce-assembly.eu zu finden. Beatrice UNGAR
( von Beatrce Ungarn in der Hermanstädter Zeitung vom 5.9.2024 )
veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Autorin∧ nach oben